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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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den Fäden, an denen sie zappelten, um seine Ziele zu erreichen. Er war beharrlich wie eine hungrige Viper, ebenso giftig und absolut skrupellos.
    «Wenn du willst, dass ich meine Beziehungen einsetze, das s ich deinen Mann und dich aus der Verbannung hole, dann kann ich dir nur raten, Erfolg zu haben», hatte er gesagt. «Da gibt es einen Freiburger, Martin Waldesmuller – oder so ähnlich –, der plant offenbar eine neue Seekarte nach den Angaben Vespuccis zu veröffentlichen. Aber das ist noch nicht alles. Er geht davon aus, dass es einen weiteren Erdteil gibt. Ja, du hast recht gehört, Schwesterlein. Einen neuen Erdteil. Eine neue Welt – die uns gehört. Uns, den Medici.
    Selbst dir dürfte klar sein, dass wir das Erscheinen dieser Karte deshalb um jeden Preis verhindern müssen. Es würde jeglichen Wissensvorsprung unseres Hauses vor anderen Handelsunternehmen zunichte machen. Du verstehst, hier geht es um mehr als nur ein gutes Geschäft, ein verlorenes Schiff. Hier geht es um unermessliche Reichtümer, um ein Unternehmen, das die Medici zu einem der größten Fürstenhäuser der bekannten Welt machen wird. Könige und Kaiser werden gegen uns wie kleine Vasallen wirken. Und wenn ich erst auf dem Stuhle Petri sitze … Nun, das ist ein anderes Thema.
    Vespucci bindet ein Schwur, über gewisse Dinge zu schweigen. Er hat seine ‹offiziellen› Schreiben an uns dementsprechend verfasst. Es ist mir völlig schleierhaft, wie dieser Waldesmuller überhaupt auf den Gedanken mit dem neuen Erdteil kommen konnte. Also, sorge dafür, liebes Schwesterlein, dass diese Karte niemals erscheint. Sorge dafür, dass diesem Mann der Mund gestopft wird und die Hand abgehackt wird, mit der er das Schnitzmesser führt. Erkaufe sein Schweigen. Und wenn es sein muss … Aber vorher horch ihn aus. Wir müssen wissen, mit wem er zusammenarbeitet, wen er vielleicht von seinem Vorhaben unterrichtet hat, was er eigentlich genau plant.»
    Sie fror innerlich in Erinnerung an dieses Gespräch. Sie wusste, was das hieß, «wenn es sein muss». Giovanni de’ Medici hatte damit ein Todesurteil gefällt. Er kannte keine falschen Rücksichten auf die Moral. Er machte sich seine eigene. Sie hoffte, dass dieser Kartograph sich kaufen ließ. Giovanni hatte es im Übrigen nicht für notwendig gehalten, sie darüber aufzuklären, woher er von «diesem Waldesmuller» und seinen Plänen wusste.
    Ihre linke Hand nestelte nervös am geschnürten Brusteinsatz ihres Mieders. Der ebenfalls mit Seide durchwirkte, gebrochene Samt der Ärmel bauschte sich dabei. Doch die sorgsam in kleine Löckchen gebrannten Schläfenhaare bewegten sich nur ganz leicht. Über dem Scheitel war das Haar straff zu beiden Seiten des Kopfes gekämmt und mündete in einem großen, geflochtenen Knoten am Hinterkopf. Um den etwas matt wirkenden, dunkelblonden Haaren Glanz zu geben, hatte der Frisör Goldstaub darauf gesprüht. Sie reiste mit großem Gefolge. Geld spielte keine Rolle, wenn es um Giovannis Ziele ging. Sein Ehrgeiz war maßlos und wurde nur noch von einem übertroffen: seiner Vergnügungssucht.
    Nun, sie hatte sich auch ein Vergnügen gegönnt, ein ganz bescheidenes. In Straßburg nannte sie sich de’ Simoni. Das war ihre kleine Rache, ihr heimlicher Gruß an jenen Mann, dessen Kunst das Gesicht der Welt veränderte. Auf andere Weise zwar als Vespucci, aber doch ebenso grundlegend. Giovanni war immer eifersüchtig auf ihn gewesen, denn sein Vater, Lorenzo der Prächtige, hatte dieses junge Genie in sein Haus aufgenommen. Mehr noch, er hatte ihn seinen leiblichen Kindern gleichgestellt, manchmal sogar vorgezogen. Es hatte ihr nichts ausgemacht. Er war die große Liebe eines kleinen Mädchens gewesen: Michelagniolo di Ludovico di Buonarroti Simoni. Die Welt kannte ihn meist nur als Michelangelo.
    Langsam wurde sie unruhig. Warum kamen sie nicht? Sie ließ den Blick durch den Saal des Gasthauses «Zum Raben» schweifen. Sie hatte sich die beste Herberge Straßburgs nennen lassen und diese kurzerhand komplett in Beschlag genommen. Offiziell war sie eine reiche Dame aus Genua, die inkognito reiste. Doch Contessina war nicht umsonst Lorenzos Lieblingstochter gewesen. Sie wusste, wie man elegant Gerüchte und Halbwahrheiten streut. Sie hatte dafür gesorgt, dass jeder Mann und jede Frau in Straßburg wusste, wer sie wirklich war. Niemand wagte es jedoch, der offiziellen Version zu widersprechen. So weilte sie in Straßburg und war doch nicht hier.
    Sie schaute in die

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