Der Kartograph
Runde und lächelte freundlich. Glücklicherweise konnte niemand ihre Gedanken lesen, ihre Verachtung für all diese Menschen spüren, die eilfertig um sie herumscharwenzelten und buckelten. Die Magie des Namens Medici wirkte noch immer. Besonders auf alle diese Aufsteiger und Neureichen.
Sie hatte jeden eingeladen, der zur so genannten guten Straßburger Gesellschaft gehörte. Natürlich auch diesen Drucker, Grüninger, mit seiner Frau und seinen beiden älteren Söhnen, der Tochter, der Nichte und ihrem Mann. Die beiden letzteren waren bereits anwesend, natürlich viel zu früh gekommen. Sie fand das Mädchen ordinär, zu drall, zu pralle Farben, sie lachte zu laut und schäkerte schamlos mit jedem männlichen Wesen, das in ihre Nähe kam. Ihr Mann stand blass und unscheinbar daneben. Er tat so, als bemerke er das skandalöse Verhalten seiner Frau nicht. Nein, diese Marie Schott hatte entschieden keinen Stil.
Contessina waren ihre Gefühle äußerlich nicht anzusehen. Auch nicht die Unruhe, die immer mehr von ihr Besitz ergriff. Wo bleiben nur diese Grüningers, wo blieb dieser Waldseemüller? Sie hatte ihn ausdrücklich in die Einladung mit einbezogen, konnte sich – allerdings nur vage – vorstellen, welchen Aufruhr die parfümierte Karte im Haus des Druckers ausgelöst haben musste. Die ganze Stadt gierte danach, einen Blick auf die Fremde zu erhaschen. Kaum vorstellbar, dass Grüninger mit seiner Familie nicht kommen sollte. Selbst falls er nicht wollte, seine Frau Babette würde ihm die Hölle heiß machen, um auf dem Ball der Contessina de’ Medici zu tanzen. Sie kannte die Frauen.
Äußerlich wirkte sie gelassen, vornehm bleich in ihrem gelborange-farbenen Brokat, schmal, fast wie ein junges Mädchen, obwohl sie schon eine reife Frau von 27 Jahren war.
So sah Martin Waldseemüller Contessina de’ Medici zum ersten Mal. «Sie ähnelt einem gefangenen Vögelchen», war sein erster Gedanke. Er ahnte nicht, wie Recht er auf eine gewisse Weise damit hatte.
«Ich bin sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen», ihre Hand flatterte ein wenig in der seinen, als er sie nach der Verbeugung zu einem förmlichen Handkuss bis kurz vor seine Lippen führte. Sie rührte ihn, obwohl er nicht ganz verstand, warum.
Er machte erneut eine höfliche Verbeugung. «Und ich danke für die überaus freundliche Einladung zu einem so großen Fest. Ich bin mir der Ehre bewusst, die Ihr mir damit so unverdientermaßen erweist.» Er machte eine kurze Pause und sah sich um. Beim Anblick von Marie zuckte er leicht zusammen. Dann wandte er sich wieder seiner Gastgeberin zu.
Contessina lächelte ihm zu. Es war ein strahlendes, ein helles Lächeln. Sie mochte diesen Mann auf Anhieb. Er war etwa vier bis fünf Jahre älter als sie, sah gut aus, fast südländisch mit seinen dichten Locken, die bis auf den weiß gestärkten Kragen fielen. Er war nicht sonderlich groß, dennoch wirkte er sehr männlich, mit einem energischen Kinn und einer leicht gebogenen Nase. Sein Körper war sehnig, die Schultern breit, die Hüften schmal. Er machte eine gute Figur in seinem gefältelten Rock, der bis zu den bestrumpften, muskulösen Oberschenkeln reichte. Der Stoff war hervorragend verarbeitet, aber einfach geschnitten. Contessina de’ Medici hatte keine Ahnung, dass er sich dieses Gewand von Bartholomäus Grüninger hatte ausleihen müssen, weil sein eigenes Wams zu fadenscheinig war.
Waldseemüller lächelte offen zurück, seine braunen Augen schauten in ihre blassblauen. Kurz fragte er sich, ob er sie zum Tanzen auffordern dürfe. Doch eine Medici tanzte wohl nicht mit einem Metzgersohn.
Sie überraschte ihn erneut. Sie wandte sich an die Dame gleich neben sich, offensichtlich so etwas wie eine Kammerzofe. «Überlasst unserem Gast doch für eine kurze Weile Euren Stuhl, meine Liebe. Ich habe schon so viel von ihm gehört, dass ich gerne ein wenig mit ihm plaudern würde. Es macht Euch doch nichts aus?»
«Wirklich, Ihr bedenkt mich mit zu viel der Ehre» – Martin Waldseemüller war völlig verblüfft. Er hätte selbst in seinen kühnsten Träumen nicht damit gerechnet, dass diese Fremde sich für ihn interessieren könnte. Am liebsten wäre er überhaupt nicht mitgekommen. Nur die Gewissheit, dass Marie ebenfalls auf dem Ball sein würde, hatte ihn am Ende dazu bewegen können. Wenn er sie schon nicht für sich haben konnte, dann wollte er sie wenigstens von ferne sehen. Und nun zeichnete ihn diese Fremde, ein Spross der mächtigen
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