Der Kartograph
für einen Spaziergang.»
Nach der ersten Freude keimte Misstrauen in ihm. Was wollte eine Frau wie sie von einem Mann wie ihm? Eine Medici von einem Metzgersohn? Kurz streifte ihn der Verdacht, es könne etwas mit Amerigo Vespucci, seinen Reisen in Diensten der Medici und der Karte zu tun haben, die er plante. War ihre Anwesenheit in Straßburg vielleicht gar kein Zufall? Und war das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Sein Instinkt tendierte zu Letzterem. Nun, er würde es nie erfahren, wenn er nicht zu ihr ging. Aber er beschloss, wachsam zu sein.
Er war pünktlich zur Stelle. Contessina de‘ Medici nahm sich die halbe Stunde Verspätung, auf die jede Frau von Rang Anspruch hatte. Es gehörte sich für eine Dame nicht, einem Mann das Gefühl zu geben, dass sie darauf brannte, ihn zu treffen. Und es gehörte sich für einen Mann nicht, das einzuplanen und eine halbe Stunde zu spät zu kommen. Martin Waldseemüller kannte diese Spielregeln. So setzte er sich im «Raben» auf eine der Eichenbänke und beobachtete die bunte Gesellschaft, die sich dort eingefunden hatte. Da waren zum einen zwei Kaufleute, zumindest vermutete Martin Waldseemüller, dass sie Händler sein mussten. Denn im Hof der Herberge waren einige Karren abgestellt. Unter den Stoffplanen zeichneten sich allerlei Kisten und Kästen ab. Sie wurden von zwei mürrisch aussehenden, bis an die Zähne bewaffneten Männern bewacht. Eigene Bewacher und diesen offensichtlichen Reichtum an Waren konnten sich nur wohlhabende Leute leisten. Der Pelzbesatz ihrer weiten Umhänge, die sie lässig neben sich über die Bank geworfen hatten, der wertvolle Stoff ihres gegürteten Wams, kündeten ebenfalls von beachtlichem Wohlstand. Die Männer blickten kurz auf, als Waldseemüller in die Schankstube kam, vertieften sich dann aber wieder ins Gespräch. Sonst war nur noch die Schankmagd im Raum.
Kurz nach Waldseemüllers Ankunft betrat ein weiterer Gast den «Raben». Er setzte sich in eine Ecke, direkt neben den Kamin und nickte der Schankmagd zu, die ihn zu kennen schien. Jedenfalls brachte sie ihm kurze Zeit später einen Krug mit schäumendem Bier. Über Martin Waldseemüller sah sie geflissentlich hinweg. Seine Kleidung zeigte, dass er nicht zu der gehobenen Kategorie von Gästen gehörte, die im «Raben» abzusteigen pflegten. Das Gasthaus war über Straßburg hinaus bekannt. Jedermann wusste, dass die Betten sauber und das Essen gut war. Doch das hatte seinen Preis. Hierher verirrten sich keine armen Leute.
Die Schankmagd hatte bei Waldseemüllers Eintreten nur ungläubig eine Augenbraue gehoben. Er sollte wieder gehen, mochte dies wohl bedeuten, ein Mann wie er, der ohne Zweifel nur über eine schmale Börse verfügte, hatte hier nichts verloren. Doch er tat so, als bemerke er die stille Ablehnung nicht. Umso verblüffter war sie, dass er sich erhob, als sich die Türe zum Schankraum öffnete, und der reichen Witwe de’ Simoni entgegenging. Sie konnte es nicht fassen, dass sich auf deren Gesicht keineswegs eisige Ablehnung abzeichnete, als dieser Mann ihr galant die Hand küsste, sondern dass sie leicht ihren Kopf zum Gruß neigte und ihn anlächelte. Die Dame musste ein gutes Herz haben, da sie Bittsteller – denn etwas anderes konnte dieser Mann kaum sein – so freundlich behandelte. Wie alle in Straßburg wusste sie natürlich, wer diese Frau wirklich war. Die ganze Stadt sprach von ihr. Ihre Zofe verzog keine Miene. Der Dienstmann, der sie immer begleitete, hielt sich im Hintergrund.
Contessina de’ Medici war zwar keine ganz junge Frau mehr, doch auf der Höhe ihrer Schönheit. Sofern Schönheit das richtige Wort war. Sie wirkte zwar zerbrechlich und sehr zurückhaltend, war dennoch eine Persönlichkeit, die man nicht übersah. Sie hatte eine besondere Würde, eine Ausstrahlung, der sich niemand entziehen konnte. Sie gab sich beherrscht, doch Martin Waldseemüller ahnte, dass sich in diesem zierlichen, ja schon fast schmächtigen Körper, ein leidenschaftliches Herz verbarg.
Sie machten den Eindruck von Komplizen, als sie sich begrüßten. Der Mann am Kamin beobachtete die beiden interessiert. Als Contessina zu ihm hinüberschaute, wandte er schnell den Blick ab. Die beiden Händler hatten sich nur für wenige Momente in ihrem Gespräch stören lassen. Das kurze, anerkennende Funkeln in ihren Augen machte jedoch klar, dass sie die Stellung dieser Frau sehr wohl einzuschätzen wussten. Sie war niemand, der für ein Abenteuer in Frage kam.
Die
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