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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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musste sie haben, wie anders hätte er sonst an Manuskripte kommen sollen, die es sich zu drucken lohnte. Diese Kontakte waren das wichtigste Kapital eines jeden, der es in der neuen Kunst des Buchdruckes zu etwas bringen wollte. Auch der Herzog von Lothringen versprach erneut, sich einzusetzen.
    Die Einrichtung für die Druckerei war ebenfalls noch lange nicht komplett. Langsam machte sich Verzweiflung in Saint-Dié breit. Es ging einfach zu viel schief. Die Zeit lief ihnen davon. Spätestens bis zum Frühling 1507 sollte das erste große Werk der neuen Druckerei in Saint-Dié vorliegen, darüber hatten sie sich inzwischen geeinigt. Allerspätestens.
    Doch je mehr Tage vergingen, je mehr sich auch die Fertigstellung der officina libraria in die Länge zog, desto mehr ging die Stimmung von Begeisterung in Nervosität über. Noch immer war keine Druckerpresse in Sicht. Pierre Jacobi begann davon zu sprechen, eine Weinpresse nach dem Muster Gutenbergs umzubauen. Doch die Runde verwarf den Vorschlag. Es dauerte zu lange. Und auch die Soderini-Briefe, die Lettera, auf deren Grundlage die große Karte gezeichnet und die Introduction geschrieben werden sollte, waren noch immer nicht eingetroffen. Dabei hatte der Sommer längst Einzug gehalten.
    Und mit ihm kamen viele Gäste, auch überraschende. Zu diesen zählte zweifellos Johann Amerbach, der unangekündigt in Saint-Dié auftauchte. Gauthier Lud empfing den berühmten Drucker mit großem Vergnügen. Die beiden Männer waren sich auf Anhieb sympathisch. Sie teilten vieles, auch den Sinn fürs Geschäft, und vereinbarten sofort einen Austausch von Manuskripten. Johann Amerbach versprach außerdem, sich nach einer geeigneten Druckerpresse für Saint-Dié umzuhören.
    «Dabei hätte ich diese Karte am liebsten selbst herausgebracht», brummte er beim gemeinsamen Abendessen des zweiten Tages mit Martin Waldseemüller sowie Gauthier und Nicolas Lud. «Aber Ihr seid ja so überstürzt davongefahren, Ilacomylus. Ach, fast hätte ich es vergessen, ich habe auch noch einen Brief Eures Onkels Jakob dabei. Wenn mich nicht alles täuscht, dann teilt er Euch darin mit, dass Ihr gefahrlos nach Basel zurückkommen könnt. Auch er hofft übrigens auf Eure künftige Mitarbeit. Ach ja, und dann wäre da noch etwas. Das sollten wir aber …»
    Später hatte Martin Waldseemüller das Gefühl, Amerbach hatte Lud vorgewarnt, ihm erklärt, dass er etwas Privates mit Ilacomylus zu besprechen habe. Überhaupt, sowohl Gauthier als auch Nicolas Lud hatten ihn seit dem Erscheinen des Druckers in Saint-Dié schon die ganze Zeit so seltsam angeschaut.
    «Äh. Mein Neffe und ich hätten noch dringende Geschäfte zu erledigen. Ihr gestattet doch, verehrter Amerbach, dass wir Euch jetzt für eine Weile allein lassen. Unter alten Freunden, wie Ihr und Magister Waldseemüller es seid, dürfte es sicherlich kein Problem sein, ein Gesprächsthema zu finden.»
    Amerbach lachte dröhnend. «Gewiss nicht», bestätigte er mit seinem sonoren Bariton.
«Kommt, trinkt erst einmal einige Schlucke Wein aus Eurem Becher. Das, was ich zu sagen habe, ist ein wenig – nun ja, delikat. Ich habe nicht viel Übung in solchen Angelegenheiten. Und Ihr werdet sicherlich ein wenig überrascht sein», hob er an, nachdem die beiden Luds den Raum verlassen hatten.
Die Anspannung Amerbachs war fast mit Händen zu greifen. Verwundert tat Martin Waldseemüller, was der Drucker ihn geheißen hatte. Dann schaute er den unerwarteten Gast fragend an. Der zögerte, schien irgendwie die richtigen Worte nicht zu finden.
«Lasst uns erst auf Du und Du trinken, Ilacomylus. Das heißt, wenn Ihr einverstanden seid. Ich dachte ohnehin schon daran, als Ihr noch in Basel wart. Und jetzt – nun, das macht es einfacher …» Er stockte.
Martin Waldseemüller war nun vollends verblüfft. Er hatte ohnehin nicht verstanden, warum Amerbach nach Saint-Dié gekommen war. Um ihm den Brief des Onkels zu bringen? Wohl kaum. Das hätte auch ein Bote übernehmen können. Oder war die Nachricht, die Jakob Waldseemüller seinem Neffen geschickt hatte, so brisant? Was hatte er nur auf dem Herzen?
Johann Amerbach schien seine Gedanken erraten zu können. «Wollt Ihr nicht zuerst einmal lesen, was Euer Onkel geschrieben hat. Hm, ja. Vielleicht muss ich dann nicht mehr so viel erklären», ergänzte er hoffnungsvoll. Der berühmte und selbstbewusste Drucker wirkte auf Martin Waldseemüller in diesem Moment fast schüchtern. «Doch zuerst lasst uns auf Du und Du

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