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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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weitersprechen. «Sag nichts mehr, mein Freund, sonst wird die Lage nur
noch peinlicher für uns beide», entgegnete der Drucker herzlich. »Lass uns einfach zusammen trinken, auf die Welt, auf
die Frauen und auf die große Aufgabe, die du noch zu erfüllen
hast. Wenn ich dich richtig verstehe, dann wirst du auch nicht
mit nach Basel kommen. Sowohl dein Onkel als auch ich hätten
deine geplante Karte nämlich allzu gerne in unserer Druckerei
herausgebracht. Und ich denke, auch mein Freund Jean Grü
ninger würde sich alle zehn Finger danach lecken. Doch wie ich
dich einschätze, ziehst du die Ruhe hier am Gymnasium Vosagense der Hektik der Basler vor. Komm, lass uns kräftig einen trinken. So jung kommen wir nicht mehr zusammen. Und eine Freundschaft zu feiern haben wir allemal, mein Freund
Ilacomylus.»
Nun, niemand konnte die Basler mit gutem Gewissen als
hektisch beschreiben. Doch Martin Waldseemüller widersprach nicht. Er war Johann Amerbach dafür zu dankbar, zu
erleichtert, dass dieser ihn verstanden hatte.
Am nächsten Morgen hatten beide Männer furchtbares
Schädelweh. Johann Amerbach versprach, dass er sich nicht
nur nach einer brauchbaren Druckerpresse, sondern auch nach
einer möglichst originalgetreuen ptolemäischen Geographia
umschauen werde.
«Das Ruckeln wird meinem Schädel sicherlich nicht gut tun»,
meinte Amerbach noch, bevor er schließlich sein Pferd bestieg,
ein schwerer Halbblüter. Er winkte seinem Diener, der das Gepäckpferd führte.
Gauthier Lud und sein Neffe Nicolas schauten dem Drucker
zusammen mit Martin Waldseemüller lange nach, hörten,
wie das Geräusch der Pferdehufe leiser wurde, sahen, wie sich
Menschen und Rösser aus dem Stadttor hinaus über die südliche Brücke bewegten und die Straße gen Colmar einschlugen. «Wir hatten schon Sorge, wir würden Euch verlieren», sagte
Nicolas Lud schließlich.
«In diesem Mann habt Ihr einen einflussreichen und einen
guten Freund, Ilacomylus. Wie heißt es so schön? Den Wert
eines Mannes erkennt man an seinen Feinden. Und davon habt
Ihr ja wohl einige, wie ich Euren Erzählungen entnehme. Aber
auch an seinen Freunden.»
Martin Waldseemüller blickte die beiden Männer offen an,
die er in den Wochen in Saint-Dié immer mehr schätzen gelernt
hatte. «Nein, ich plane nicht, Saint-Dié zu verlassen. Denn auch
hier gibt es Männer, die ich inzwischen meine Freunde nenne.
Und hier wartet eine Aufgabe auf mich, für die es sich zu leben
und zu arbeiten lohnt.»
Am übernächsten Tag hatte er eine weitreichende Entscheidung getroffen: Er würde wirklich ein wahrhaft monumentales Werk schaffen, eine Weltkarte, mehr als siebeneinhalb mal vier Fuß groß. Das schien ihm für ein Paradies angemessen zu sein – und für einen neuen Erdteil. Er würde wohl zwölf Druckstö
cke dafür schnitzen müssen.
Er kannte auch bereits die Überschrift: Universalis Cosmographia Secundum Ptholemanaei Traditionem et Americi
Vespucii Aliorumque Lustrationes .
Die Kartenkrone sollte jene beiden Männer zeigen, die die
beiden Teile der Erde verkörperten, die Vorstellung von der alten und der neuen Welt, jene beiden Hälften, die zusammen
ein wunderbares Ganzes ergaben. Ptolemäus, der für die alte
Welt stand, würde auf den östlichen Teil des Globus blicken,
auf seine Geographia , ein Astrolabium in beiden Händen. Nur
getrennt durch den Gott des Windes, der seinen kalten Hauch
auf das Eismeer des Nordens blies, wollte er sodann den westlichen Teil der Welt darstellen, Terra incognita, den neuen Kontinent. An dessen westlicher Seite würde die Karte ein weiteres Meer zeigen, eines, von dem Ptolemäus noch nichts geahnt
hatte. Dort stand Amerigo Vespucci, mit dem Zirkel in seinen
Händen. Denn er war der Mann, der all diesen Entdeckungen
mit seinen Berichten erst die Form gegeben hatte. Die Form eines vierten Erdteils, an dessen westliche Küste die Wellen eines
neuen, eines unbekannten Ozeans brandeten.
Wieder studierte er die Karten, die Pélerin mitgebracht
hatte.
Wie im Fieber rollte er erneut eine nach der anderen aus.
Und was, wenn er die unbekannten Territorien in der südlichen
Halbkugel und jene neu entdeckten Gebiete im Norden wirklich
nun doch als eine zusammenhängende Landmasse darstellte?
Selbst Pélerin hatte zugegeben, dass diese Möglichkeit durchaus bestand: dass die Terra Ulteri Incognita zwischen dem 50. und dem 60. nördlichen Breitengrad mit den Territorien südlich des Äquators bis hinunter zum 50. südlichen Breitengrad
wirklich eine

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