Der Kartograph
wüsste sie gern in deinen guten Händen. Denn du bist nicht nur ein großer Gelehrter, du bist auch ein anständiger Mensch. Und falls jetzt noch keine Liebe da ist, so wird
sie sicher kommen.»
Martin Waldseemüller nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher, um Zeit zu gewinnen. Währenddessen überlegte
er fieberhaft, wie er seine Worte so wählen konnte, dass Amerbach nicht verletzt war. Er mochte diesen Mann, schätzte ihn
über die Maßen, nicht nur als Gastgeber und Fürsprecher, sondern auch als geistreichen, gebildeten Menschen. Es war nichts
Geringes, dass ein Mann von seinem Stand und Ansehen bis
zu ihm nach Saint-Dié reiste, um ihm die Hand seiner Tochter
anzutragen. Es war eine große Ehre. Und Margarete Amerbach
war wirklich eine gute Partie. Wohl erzogen, von ihrer Mutter Barbara gut auf ihre Pflichten als Hausfrau vorbereitet. Sie
würde eine fügsame Gattin sein. Und vielleicht würde die Liebe im Laufe der Zeit noch kommen. Aber nein, es ging nicht. Er
beschloss, ehrlich zu sein.
«Johann, das, was du mir anbietest, ehrt mich mehr, als du
dir vorstellen kannst. Ich wäre nichts lieber als dein Eidam,
dein Sohn …»
Jetzt nahm Johann Amerbach einen großen Schluck Wein.
Die Situation begann, ihm peinlich zu werden. Er war kein
Mann, der sich anbiederte. «Aber?»
«Ich könnte jetzt sagen, dass ich mit ganzem Herzen Theologe bin und dazu noch einer mit guten Aussichten auf eine Pfründe als Kanonikus hier in Saint-Dié. Ich könnte anführen, dass meine wissenschaftlichen Studien mir keine Zeit für eine Frau und eine Familie lassen …» Martin Waldseemüller brach
verzweifelt ab. Wie sollte er es nur erklären?
Johann Amerbach schaute ihn einfach nur an und wartete
ab.
«Ich schätze deine Familie, ich schätze und verehre dich. Ich
wäre mehr als geehrt, wenn ich dich meinen Freund nennen
könnte. Aber, bei meiner Ehre, ich bin kein anständiger Mann.
Ich bin deine Tochter nicht wert. Ich – ich liebe eine andere Frau.
Eine, die ich niemals haben kann, weil sie bereits verheiratet
ist. Sag selbst, wie soll ich deiner Tochter da ehrlichen Herzens
meine Hand zum Ehebund reichen? Ich würde sie im Geiste
betrügen, noch bevor unsere gemeinsame Zukunft überhaupt
angefangen hat. Bitte, Johann, bleibe mein Freund und verzeih
mir. Ich will weder dich noch deine Familie kränken …» Er brach ab. Die ganze Verzweiflung, seine ganze Liebe zu
Marie Grüninger, die er in den letzten Wochen immer wieder
beiseite geschoben hatte, brach sich jetzt Bahn, spiegelte sich in
seinem Gesicht, schwang im Klang seiner Stimme mit. Beim
letzten Satz hatte Martin Waldseemüller fast geschluchzt und
sich gerade noch beherrscht.
Es kehrte Stille ein im Raum. Jeder der beiden Männer hing
für einige Momente seinen eigenen Gedanken nach. Schließ
lich nickte Johann Amerbach. «Du armer Tor. Ich denke, ich
weiß, welches Weib du meinst. Ich hätte es wissen müssen. Und
du eigentlich auch. Du bist alt genug, um den Wert eines Weibes einschätzen zu können. Die, die du meinst, ist es nicht wert.
Schön anzuschauen, charmant, liebenswürdig, mit einem Gesicht wie ein Engel. Aber sie ist ein eiskalter Engel, egoistisch
und selbstsüchtig. Nein, lass nur. Ich werde keinen Namen nennen. Und du musst dich auch nicht weiter rechtfertigen. Ich weiß selbst, wie die Liebe einem Mann das Herz zerreißen kann. Glücklicherweise habe ich meine Barbara gefunden. Sie hat mich geheilt. Doch du bist zu tief verstrickt, das sehe ich jetzt. Ich hätte dich gerne als meinen Sohn in meinem Hause begrüßt. Ich weiß auch nicht, wie ich deine Antwort meiner Margret beibringen soll. Ich kann ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Dennoch, es ehrt dich, Ilacomylus, dass du sie mir gesagt hast. Ich schätze dich umso mehr dafür. Gut, sei’s drum. Also, wenn es denn nicht so sein soll, dann lass uns Freunde bleiben. Du bist immer in meinem Hause willkommen. Und wenn du
meine Hilfe brauchst, dann sage es mir. Auf unser Wohl.» Martin Waldseemüller fühlte, dass er rot wurde, so sehr bewunderte er diesen Mann für seine Haltung, seine Großzügigkeit. Und sein großes Herz. Ein anderer hätte beleidigt reagiert.
Johann Amerbach war wahrhaft ein besonderer Mann. «Ich danke dir, Johann, ich danke dir von ganzem Herzen
für dein Verständnis. Wenn ich jemals in die Lage gekommen
wäre, mir einen Vater zu wählen, wenn ich mir jemals einen
Freund gewünscht habe, so hatte er deine innere Größe …»
Wieder konnte Martin Waldseemüller nicht
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