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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Waldseemüller hatte bisher nichts gesagt. «Sie reitet nicht mit Euch. Marie gehört zu mir. Ich liebe sie.» Er schrie die letzten Worte fast.
Maries Gatte musterte ihn mit dem traurigen Blick eines getretenen Hundes. «Seid froh, dass Ihr sie los seid. Diese Frau hat einen Eisklotz statt eines Herzens in der Brust. Sie hat Euch sicher erzählt, das Kind sei von Euch, nicht wahr?»
Martin Waldseemüller erbleichte. «Ja, das hat sie.»
Andreas Schott nickte. Er wirkte unendlich müde. «Nun, da seid Ihr nicht der Einzige, den sie damit ködern wollte. Eurem Freund Matthias Ringmann hat sie dasselbe erklärt. Doch ich muss Euch enttäuschen. Ihr könnt unmöglich der Vater dieses Mädchens sein. Ringmann vielleicht, aber Ihr nicht. Mit absoluter Sicherheit nicht. Das Kind wurde nach unserer Eheschließung gezeugt. Ich habe mit der Hebamme gesprochen.»
«Wie kannst du es wagen …» Marie Schott schäumte vor Wut, ihr Gesicht war zornverzerrt.
«Wie ich es wagen kann? Ist das nicht eine seltsame Frage, meine Liebe? Also, pack deine Sachen. Ich werde künftig dafür sorgen, dass dieses Benehmen ein Ende hat. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.»
«Und wenn ich nicht mitgehe? Du kannst mich nicht einfach fesseln.»
«Oh doch, das kann ich. Ich bin dein Mann. Entweder du gehst freiwillig mit, oder ich zwinge dich!»
«Und was willst du dann tun? Mich einsperren vielleicht?», höhnte sie.
Er blieb noch immer ruhig. «Ja, genau das», erwiderte er knapp.
Martin Waldseemüller löste sich aus seiner Starre. Der Schmerz in seinem Inneren war fast mehr, als er ertragen konnte. Er verbeugte sich vor Andreas Schott. «Falls Ihr Genugtuung fordert, ich bin bereit.»
Dieser schüttelte den Kopf. «Was würde das ändern? Diese Frau hat schon genügend Unheil angerichtet. Sie ist es nicht wert, dass ein Mann für sie verletzt wird oder gar stirbt. Vergesst sie. Ich wünschte, ich könnte das auch.»
«Du Feigling, du elender Feigling», kreischte sie. «Schlag ihn tot, Martin, glaub diesem Ungeheuer nicht. Ich liebe dich, nur dich. Schlag ihn tot!»
Er sah in dieses Gesicht, dieses früher so schöne Gesicht, das dem eines Engels glich, und erkannte den Teufel darin. Angewidert wandte er sich ab.
«Ich schulde Euch etwas, mein Herr, für den Rest meines Lebens. Wenn ich Euch einen Dienst erweisen kann …»
Andreas Schott winkte ab.
Da wandte sich Martin Waldseemüller zur Tür und verließ die Schenke. Er schaute sich nicht noch einmal um. Contessina de’ Medici sah ihn von ihrer Kammer aus gehen. Da wusste sie, dass alle ihre Bemühungen vergebens gewesen waren. Sie beobachtete einen lebendigen Toten. Sie ahnte nicht, wie genau ihr Eindruck Martin Waldseemüllers Seelenzustand entsprach. Noch am selben Tag reiste sie ab. Marie Schott hatte Saint-Dié bereits verlassen. An der Seite ihres Gatten.
    Zwei Wochen später traf eine Abschrift der Lettera in Saint-Dié ein. Sie kam vom Herzog von Lothringen mit dem Befehl, diese Angelegenheit und die Quelle absolut vertraulich zu behandeln. Er bestimmte Jean Basin als Übersetzer ins Lateinische. Er vertraue ihm, so die Begründung des Herzogs. Denn der Urheber dieser Kopie dürfe niemals bekannt werden, da dies für beide Teile höchst kompromittierend sein könnte. Wie wichtig dem Herzog in diesem Falle die Diskretion zu sein schien, bewies der Umstand, dass im Absender offenbar ein Name ausgekratzt worden war. An dessen Stelle war der Name Renés II., Herzog von Lothringen eingefügt worden. Doch wenn man die entsprechende Manuskript-Seite gegen das Licht hielt, war noch zu erkennen, was einmal darunter gestanden hatte: «Soderini». Das überzeugte die Runde in Saint-Dié von der Echtheit des
    Textes. Der Priore der Signoria von Florenz höchstselbst hatte ihnen also den Text zukommen lassen. Wer, wenn nicht er, musste um die näheren Umstände von Vespuccis Reisen wissen. Er und der Herzog von Lothringen waren zudem gute Freunde, das wusste jeder. Es war eine Quelle, der man vertrauen konnte.
    Noch vor kurzem hätte Ilacomylus über die Ankunft dieses so lange erwarteten Dokumentes gejubelt. Doch in ihm existierte kein Gefühl mehr, keine Freude, kein Schmerz. Seine Seele hatte sich in die Taubheit zurückgezogen. Erst nach und nach wurde ihm bewusst, dass Philesius, der Mann, den er für einen Freund gehalten hatte, der Liebhaber der Frau gewesen war, die er liebte. Das schmerzte doppelt. Er war zweifach verraten worden. Martin Waldseemüller konnte seine Gefühle nicht

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