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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Die wichtigsten Notizen daraus habe ich immer bei mir.
    Jean Basin schwieg, hörte zu, machte sich seine eigenen Gedanken. Er hatte die kleine Stelle am Anfang des Manuskriptes schnell entdeckt, an der jemand einen Namen über einen anderen geschrieben hatte, ziemlich schlampig übrigens. Er hasste es, diesen Text übersetzen zu müssen. Er hatte versucht, sich zu weigern.
    «Unser verehrter Herzog hat die Lettera mit dem ausdrücklichen Befehl an uns gesandt, dass die Übersetzung Euch anzuvertrauen sei», hatte Gauthier Lud auf Jean Basins Einwand geantwortet, dass es andere, ebenso gute Übersetzer des Textes ins Lateinische in Saint-Dié gebe. Lud blieb dabei. «Der Herzog vertraut Euch. Nur Euch», hatte er den langjährigen Gefährten des Gymnasiums Vosagense kurz abgefertigt. Der Ältere der beiden Luds war erstaunt gewesen. Warum nur sperrte sich Basin so gegen eine Mitarbeit an der Karte?
    Wenn Jean Basin ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte er es dem alten Freund vielleicht erklären können. Er war eifersüchtig. Darauf, dass sich plötzlich alles um diesen Neuankömmling Ilacomylus und seine Karte drehte. Darauf, dass der Magister aus Freiburg mit der so geheim gehaltenen Vergangenheit plötzlich in der Gunst des Herzogs und auch in der von Gauthier Lud an oberster Stelle zu stehen schien. Ein Jean Basin war dagegen zum bloßen Handlanger degradiert.
    Der einstige Pfarrer von Wisemberg, sonst eigentlich ein großzügiger und recht toleranter Charakter, war jedoch viel zu verwirrt über diese Art von Gefühlen, die er an sich nicht kannte. Er war nicht ehrlich zu sich, sondern begründete sein wachsendes Missbehagen damit, dass diesem Waldseemüller offenbar nicht zu trauen war. Vielleicht traute ihm ja auch René II. von Lothringen nicht. Dieser Gedanke tröstete ihn etwas. So machte er sich an die Arbeit, nicht sonderlich gewissenhaft. Er wusste selbst, dass er die Übersetzung hätte besser machen können. Und er erzählte niemandem etwas davon, dass er immer wieder Hinweise darauf entdeckt hatte, dass der Bericht über die Quatuor navigationes , der dem Text angeblich zugrunde lag, an entscheidenden Stellen verändert worden war. Es musste so sein. Der stilistische Unterschied war einfach zu groß, ebenso die Schreibweise von Worten. Manchmal entsprachen ganze Textpassagen nicht dem Duktus der vorhergehenden Abschnitte. Doch er ebnete diese Unterschiede ein, gab der Übersetzung seinen eigenen Stil. So fielen sie niemandem auf. Denn niemand außer ihm selbst hatte die Möglichkeit, das Original ausgiebiger zu betrachten.
    Hin und wieder dachte er darüber nach, wer für diese Veränderungen verantwortlich sein könnte. Dafür kamen nach Lage der Dinge viele in Frage. Vespucci selbst, aber das war eher unwahrscheinlich. Sicherlich Soderini. Vielleicht auch Giorgio Antonio Vespucci, der Onkel Amerigos. René II. kannte ihn, das hatte er jedenfalls gehört. Ja, irgendwo in diesem Gewirr von Änderungen, mal größeren, mal kleineren, lag möglicherweise sogar der Grund für die Order des Herzogs, über die Herkunft des Manuskriptes absolute Geheimhaltung zu bewahren. René II. von Lothringen wollte vielleicht alte Freunde nicht kompromittieren. Jean Basin hatte sich entschieden, das Vertrauen des Herzogs nicht zu enttäuschen und seine Entdeckungen für sich zu behalten. So schwieg er auch an diesem Abend.
11.
    Giovanni de’ Medici musterte seine Schwester. Ihr schmales Gesicht wirkte sorgenvoll. Er lächelte. «Mir scheint, das Schicksal dieses Waldseemüller liegt dir sehr am Herzen.»
    Sie wandte ihren Blick von dem Markttrubel ab, der unter dem Fenster brodelte. Sie wünschte sich so sehr, wieder in Florenz leben zu können. In diesem wunderbaren, diesem schrecklichen, diesem prächtigen, diesem überladenen, diesem duftenden, diesem stinkenden Florenz. Doch sie machte sich keine Hoffnungen. Sie hatte versagt. «Es wäre schade um einen Kopf wie ihn.»
    «Das denke ich auch.»

    Contessina de’ Medici war überrascht. «Du – du hast deine Pläne geändert?»
    Wieder lächelte er. Warum ähnelte er dabei jedes Mal nur einem Wolf, der dabei ist, ein Lamm zu reißen? «Ich denke, ich habe eine bessere Verwendung für ihn gefunden. Er wird uns helfen, Soderini lächerlich zu machen, jenen unerbittlichen Bannerträger der florentinischen Gerechtigkeit.»
    Sie runzelte die Stirn. «Und wie soll das gehen?» «Erinnerst du dich an René von Lothringen? Du hast den Enkel des guten Königs René

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