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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harvell
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braucht Wien mehr Männer wie
Euch.«
    Gelegentlich flüsterte er Amalia etwas
ins Ohr. »Kein Mann in diesem Raum hat eine schönere Frau als ich«, sagte er.
»Das sagen alle, musst du wissen.« »Hat man jemals eine solche Gesellschaft für
dich gegeben? Das ist alles für dich«, sagte er ein paar Minuten später, »und
natürlich für mich.« Sie ließ sich von seiner Hand führen wie eine
Schlafwandlerin. Ich dürstete danach, ihre Stimme zu hören, aber Amalia sagte
nie etwas; wenn sie einen neuen Gast traf, wurde lediglich ihr Gesicht ein
wenig weicher, aber kurz darauf drückte es wieder nur stumme Geduld aus.
    Ich nahm ein Glas Champagner und hielt
es vor mich – ein dünnes junges Bäumchen, um mich dahinter zu verstecken. Dann
trat ich bis auf wenige Schritte an sie heran. Ich schwenkte das Glas und
richtete meinen Blick auf sie. Ihr Mann war so ins Gespräch vertieft, dass er
nicht in meine Richtung sah, und schließlich gelang es mir, ihre Aufmerksamkeit
zu erregen. Unser Blick traf sich zum ersten Mal seit unserer Kindheit. Mein
Blut wurde um zehn Grad wärmer.
    Ihre Augen waren leer. Sie erkannte
mich nicht. Ein Fremder stand vor ihr.
    Ich bin es doch!, rief ich beinahe. Dein Liebster in so vielen
Nächten! Aber hätte ich es getan, hätte
ich sie noch einmal verloren. Stattdessen lächelte ich. Ich winkte. Ich nickte.
Sie errötete und wandte sich ab.
    »Nicht die, du Dummkopf.« Plötzlich
stand mein Lehrer neben mir und flüsterte mir ins Ohr. »Die ist für die Meister
der Jagd reserviert. Erstens, du brauchst dir gar keine Hoffnung zu machen. So
eine Frau würde nicht einmal mit dir sprechen. Zweitens«, murmelte er, »wenn die
Riecher bemerkt, wie dein Blick auf ihrem Juwel liegt, reißt sie dir die Augen
aus.«
    Ich bat meinen Maestro, mich
wenigstens vorzustellen, aber er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der
Zunge. »Zumindest muss ich sagen, dass du ein gutes Auge hast. Sie ist wirklich
der schönste Fang im ganzen Raum. Aber gib’s auf. Sie ist nicht für dich
bestimmt.« Guadagni lächelte Amalia an. »Obwohl ich dir vielleicht zeigen
werde, wie es gemacht wird, wenn die Zeit reif ist. Aber nicht jetzt. Jetzt ist
die Zeit für etwas anderes gekommen.«
    Er glitt durch den Raum, und seine
Zielstrebigkeit genügte, um den Anwesenden seine Absicht zu enthüllen. Die
Menge wurde still und versammelte sich um das Cembalo am Ende des Ballsaals.
Gluck tauchte auf und setzte sich an die Tasten.
    Als sich das Publikum versammelte,
füllte sich der Ballsaal mit den Geräuschen von scharrenden Füßen und
raschelnden Stoffen. Unterdrückte Schreie erklangen: »Guadagni! Er singt
etwas!« Ich schloss kurz die Augen, um das alles auszusperren. Für mich gab es
nur eine Person im Saal, und sie war stumm.
    Als Guadagni mit der Arie »Armida dispietata!«
aus Rinaldo begann, verließ ich die Treppe und mischte mich unter die Menge. Ich
schlängelte mich durch. Ich schob meinen Ellenbogen in die Rücken von Damen,
stellte mich vor gebückte Generäle, zog an Ärmeln. Für mich waren diese Leute
nicht mehr als Bäume in einem Wald.
    Dann stand ich wieder hinter ihr, so
nah, dass ich den Flaum in ihrem Nacken hätte küssen können. Ihr Mann – er war
beinahe so groß wie ich – stand neben ihr, aber sie berührten sich nicht. Ich
schloss die Augen. In ihrem Nacken, in den weichen Höhlungen hinter ihrem
Kiefer hörte ich die geflüsterte Resonanz von Guadagnis Gesang. Ich brauchte
meine ganze Konzentration, um den Klang festzuhalten, und ich griff nach ihm
und damit nach ihr.
    Aber dann konnte ich nicht
widerstehen. Guadagnis Stimme war zu schwach. Sie spielte so ungeübt auf dem
Instrument seines Körpers, dass ich meinen Hals einen winzigen Spalt öffnete
und der leiseste Ton entfloh. Niemand hörte meine Stimme, sie übertönte die
Musik nicht, aber der leise Ton liebkoste sie. Er berührte die langen, schmalen
Muskeln auf der Rückseite ihrer Arme, und sie streckten sich ein wenig nach
außen wie Flügel, die in Bewegung kommen. Sie seufzte. Zum ersten Mal an diesem
Abend vertiefte sich ihr Atem, und ich hörte, dass sie für Guadagnis Gesang
erwacht war. Ich entließ sie in ihn. Sie klang damit.
    Aber dann begann sie zu weinen. Ein
Schluchzen entfloh ihr beim Ausatmen. Obwohl sie ihren Daumen an die Lippen
presste, konnte sie ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Es ergriff mein Herz
und würgte es. Die Traurigkeit, die in ihr war – in ihrem fest verschnürten
Körper –, wurde

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