Der Katalysator
angereichertes Eisen entschied. Wir sollten also nicht den Mut verlieren, nur weil wir es schon mit ein paar Dutzend versucht haben, um ein atmosphärisches Verfahren der Trialinherstellung zu finden.“
Immer wieder kommt er auf sein atmosphärisches Trialin zurück, dachte Paul. Warum nimmt er die Lösung nicht einfach mit, wenn er sie jetzt hat? Der Firma geschähe es ganz recht.
Verstohlen schaute er in die ruhigen, aufmerksamen Gesichter ringsumher. Diese Freitagsversammlung hatte etwas Einzigartiges. Er suchte nach Analogien. Es war wie in Anatole Frances „Die letzte Stunde“, wo der Grammatiklehrer in der Grundschule in Straßburg die letzte Stunde in französischer Sprache unterrichtet, bevor das Elsaß offiziell an Deutschland abgetreten wird. Und es war wie in „Phaidon“, wo Sokrates seinen Schülern ein letztes Mal Weisheit zu vermitteln sucht, ehe er den Schierlingsbecher leert. Und es erinnerte an Petronius, der langsam verblutend in aller Seelenruhe mit seinen Freunden speist, um Neros Meuchelmörder zu täuschen.
Serane fuhr fort: „1925 gelang den Deutschen die Methanolsynthese durch Zink und Chromoxyde. In den dreißiger Jahren katalysierten sie die Polymerisation von Butadien, um synthetisches Gummi herzustellen. Die Katalyse ermöglichte es ihnen in beiden Kriegen, im Geschäft zu bleiben. Die fünfziger Jahre brachten die Polyalkylen-Katalysatoren, und in den Siebzigern wurden die Katalysatoren zur Kohlehydrierung entwickelt, mit deren Hilfe das arabische Ölmonopol gebrochen werden konnte. Die neunziger Jahre schließlich schenkten uns den Katalysator zur Bodensalpeterisierung, durch den die Landwirtschaft revolutioniert wurde.“
„Und im Jahre 2006“, fügte Tom Oldham hinzu, „katalysierte Serane Trialin bei atmosphärischem Druck.“
„Tja, Tom, ich habe tatsächlich ein paar Ideen zu diesem Katalysator. Eines Tages werdet ihr vielleicht in der Lage sein, sie zu erproben. In seiner mechanischen Struktur muß der Katalysatorstoff zunächst einmal porös sein, übersät mit winzigen Löchern, Mikrokammern, wenn Sie so wollen. Die Harnstoffdämpfe werden in diesen Löchern gesammelt. Dort treffen sie auf das, was sie katalysiert – sie spalten Wasser ab und bilden Trialin.“
Die Luminex-Schirme an Wänden und Decke leuchteten auf, und man sah undeutlich Kleckse.
„Poröse Kieselsäure“, erklärte Serane. „Zahllose offene Zellen. Schauen Sie …“ Er vergrößerte das Bild auf der Vorderwand und projizierte es in einer scharfen 3D-Darstellung nach vorn. „Wie Sie sehen, ist jede Zelle wie ein winziger Autoklav, weil die Zellenöffnung so klein ist, daß sie den Inhalt mit Kapillar kraft festhält.
Wenn das Trialin entsteht, befindet sich genug Ammoniak in der Atmosphäre über dem Katalysator, um es abzulösen. Es wird durch den Abzug hinausgetragen und kann dann gekühlt, kondensiert und eingesammelt werden.
Offen gesagt, ich habe hier ein wenig gemogelt. Dies war zwar ein mikroskopischer Ausschnitt aus poröser Kieselsäure, aber es war ein industriell hergestelltes Silikagel, völlig anorganisch. Wir können es besser.“ Die Bilder verblaßten. Jetzt zeigte Serane eine Bleistiftskizze vergrößert auf der hinteren Wand. „Dies ist eine hypothetische Zelle einer hypothetischen biologischen Kieselsäure. Achten Sie bitte darauf, daß ich die Sauerstoffatome in der Wand dieser Zelle etwa auf der gleichen Ebene angeordnet habe. In dieser Anordnung zwingen sie die Aminogruppen, sich auf derselben Seite des Trialinringes zu bilden. Wenn
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