Der Katalysator
Tagebücher und das wenige, das ich besitze, hinterlasse ich Paul.“
„Also“, sagte Paul. „Dein Name ist Billy.“
„Ja, aber bevor wir fortfahren, sollten wir einen Vokal/Konsonantentest durchführen.“ Es war noch immer Kussmans Stimme.
„Fang an“, befahl Paul.
Die Konsole begann mit verschiedenen Vokalnuancen. Wie würde Billy klingen? Paul wählte eine der angebotenen Möglichkeiten. Dann kamen Labiale, Dentale, Glottale und Frikative.
„Und vergiß nicht“, mahnte Paul, „daß in Texas eine einfache Feststellung im Tonfall meist ansteigt, fast wie eine Frage. Damit wird sichergestellt, daß der Zuhörer auch zuhört.“
„Ich höre zu.“
„Das war schon nicht schlecht.“
„Okay.“
„Dann noch etwas.“
Paul schaltete den Bildempfänger ein. „Hier ist dein Bild. Es wurde für das Jahrbuch der Texas University aufgenommen, als du im dritten Jahr warst. Du wirst es jetzt registrieren und dann auf deinen Monitor projizieren.“
„Etwa so?“ Es war eine Sache des Augenblicks. Das Bild auf dem Monitor war eine getreue Kopie des Porträtphotos.
„Genau so. Wenn du jetzt redest, beweg die Lippen. Als ob dein Gesicht lebendig wäre und mit mir spräche.“
„Dafür bin ich nicht programmiert.“
„Du kannst es.“
„Wie?“
„Öffne den Mund, wenn du redest. Ziehe die Mundwinkel auseinander, wenn du ‚ii’ sagst, und bei ‚00’ formst du die Lippen zu einem Kreis. Die Hälfte wird sowieso nur angedeutet – wie beim Bauchreden.“
„Siehst du die Boote hier bei der Mole …?“ Es war Billys Stimme, ganz und gar. Und auch das Gesicht war Billys. Die Augen schienen zu funkeln. Licht und Schatten spielten auf den Wangenknochen. Das Gesicht war zum Leben erwacht. Eine Gänsehaut zog über Pauls Rücken.
„Großartig!“ sagte er heiser. „Du machst es hervorragend.“
„Yeah! Hi boy! Wie geht’s?“
„Na, nun übertreibt nicht gleich.“
Das Porträt lächelte Billys schiefes Lächeln. Paul merkte, daß er zurückgrinste – es war ein Austausch, der ihr gemeinsam genossenes Geheimnis bestätigte: daß nämlich die Welt von bizarren Idioten bevölkert war und daß sie dabei zu den schlimmsten gehörten.
In diesem Augenblick (als wäre diese Nacht noch nicht sonderbar genug) geschah noch etwas. Die Strahlen des TV-Holographen leuchteten auf. Eine lebensgroße Gestalt in Bluejeans und baumwollenem T-Shirt stand neben dem Terminal. Mit lässiger Gebärde hob sie eine Hand und strich sich das lange Haar aus der Stirn.
Pauls Augen traten aus ihren Höhlen, und er konnte kaum noch atmen. „Billy?“ wisperte er.
Die Gestalt reckte sich und gähnte. „Wen hast du denn erwartet?“
„Na, dich vermutlich …“
„Also wozu die Aufregung? Und was soll dieses ganze Zeug? Was hast du vor?“
„Ich erprobe ein Verfahren, das vielleicht biologisch aktives Trialin ergibt.“
„Aha.“ Das Holo trat an die Anlage, studierte sie kurz und drehte dann am Temperaturregler.
Paul hob erschrocken die Hand. „Nicht anfassen …!“
„Hör zu, du Blödmann, du hattest es auf dreihundertfünfzig. Das ist zu hoch. Damit kriegst du ein Razemat. Bei dreihundertfünfundzwanzig holst du vielleicht etwas heraus, das dir das Leben retten wird.“
Erst in diesem Moment begriff er wirklich, was geschehen war. „Aber du bist ein Holo ! Du kannst überhaupt an keinem Regler drehen!“
„Du hast ganz recht. Das holographische Druck-Interface wird man erst in fünfzehn Jahren erfinden. Eine Laser-Kraftfeld-Kombination.“
„Aber das ist noch nicht alles“, rief Paul anklagend. „Erzähl mir nicht, daß du ein richtiges, echtes Hologramm bist. Die Laser können unmöglich dort drüben ein Interferenzmuster formen.“
„Aber Pud, natürlich können sie das nicht.
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