Der Katalysator
Visi. Schließlich sagte er: „Novarella. Natürlich. Wie testen wir es?“
„Gehen Sie in die Versuchstierabteilung und lassen Sie sich von Dr. Mukerjee helfen.“
„Affen?“
„Ja. Als erstes sollten sie versuchen, einen zwei Wochen alten Affenfötus zu bekommen.“
„Ich weiß nicht …“
„Fragen sie Mukerjee.“
„Ja. John.“
Mukerjee war einer der letzten von Seranes alter Mannschaft. Nacheinander hatten Seranes Leute begriffen, daß Kussman sie mit einem Fluch belegt hatte, und nacheinander hatten sie die Firma verlassen. Der Personalleiter hatte mit dem, was er Mukerjee angetan hatte, sogar darauf abgezielt, den Wissenschaftler fortzuekeln. Aber Mukerjee war geblieben. Humbert hatte sich etwas einfallen lassen, was er für die größte aller Erniedrigungen hielt: Er hatte einen promovierten Biologen mit der Versorgung der Versuchstiere betraut. Aber Mukerjee empfand überhaupt kein angemessenes Gefühl der Degradierung, im Gegenteil – er blühte auf. Seine neue Aufgabe paßte ihm wie ein Handschuh.
In gewisser Hinsicht sah er sich selbst als eine Art sannyasin – als einen Heiligen Mann, der außer seiner Bettelschale keine Besitztümer brauchte. Mukerjees Schale war sein Job. Sein persönliches Leben wurde durch das, was er im Labor tat, kaum berührt.
Er betete zu Vishnu und aß deshalb kein Fleisch. Sein Essen kostete ihn nicht viel. Vor ihren Gebeten hatten seine Vorfahren in einem ghat am Fluß gebadet. Sein ghat war die Dusche. Mit sechzig Jahren war er noch Junggeselle, und wahrscheinlich würde er im Zölibat sterben. Dies war etwas, was ihn gelegentlich beunruhigte, denn er würde keine Kinder hinterlassen, die für seine rasche Wiedergeburt beten konnten. Aber vielleicht würde der Himmel einen Weg finden.
Wie die meisten Hindus besaß er ein ausgeprägtes animistisches Empfinden. Er fühlte ahimsa, eine geheiligte Verwandtschaft mit allen Lebewesen. Er wußte, daß jedes Geschöpf sein eigenes kaa, seine Seele, besaß, und daß der Mensch in dieser Hinsicht nicht einzigartig war.
Heute nun, als er mit Paul Schach spielte, kehrten seine Gedanken immer wieder zu einem Gibbonweibchen, einem Albino, zurück. Sie wog zwanzig Pfund und war sein verzogener Liebling. Im Sommer durfte sie sich draußen in einem Käfig mit einem echten Baum aufhalten. Während der warmen Monate saß sie mit Vorliebe auf den oberen Ästen und beobachtete die aufgehende Sonne über dem Wasser des Long-Island-Sundes. Nachts schlief sie auf den unteren Ästen, ohne sich ein Nest zu bauen. Tagsüber jagte sie, wenn das Wetter es gestattete, im Baum umher wie eine pelzige kleine Fee. Hingerissen beobachtete Dr. Mukerjee sie stündlich, und dabei verstand er das enge Verhältnis zwischen Menschen und Affen in den Kulturen vergangener Jahrtausende immer besser. Er verstand, wieso die Ägypter den Hamadryaden-Pavian, der Gefährte und Orakel des großen Gottes Toth gewesen war, ehrfurchtsvoll einbalsamiert hatten. Er verstand die affenköpfigen Götterbilder an den Tempelfassaden in Angkor Vat.
Er nannte sie Lilith, zu Ehren des Affengottes, der Vishnu begleitete.
Bei kaltem Wetter (und davon gab es leider mehr als genug) durfte sie nicht hinaus ins Freie und mußte sich mit einem variablen dendritischen Kraftfeld in Form eines Baumes begnügen. Die grün leuchtenden „Äste“ schwankten sanft in einem vorprogrammierten „Wind“, und sie akzeptierte diesen Ersatz, ohne sich zu beklagen. Um die Schärfe des Winters für sie zu mildern, kaufte er ihr spezielle Leckerbissen: Feigen, Mangos, Trauben und Pflaumen.
Er hatte sie gern, aber er war auch
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