Der Katalysator
erbitten?
Die Kranken, die Alten, die Armen,
sie strecken ihre Hände aus zu mir.
Doch eines weiß ich: Bitte ich um alles,
bekomme ich nichts.
Was soll ich erbitten?
Darauf folgt ein Flötensolo, eine kurze, eindringliche, zarte Melodie. Sie ist eigentlich dazu gedacht, die Bitte der Priesterin einzuleiten, die der Komponist offensichtlich daran anschließen wollte. Aber unglücklicherweise war diese Melodie die letzte authentische Donnator-Komposition, denn just an dieser Stelle war der Musiker verstorben, und eine ganze Generation von Musikliebhabern war in brennender Spannung zurückgeblieben. Was hatte die Priesterin erbitten sollen? Niemand konnte es je in Erfahrung bringen.
Es blieb dem Zuhörer überlassen, daß die Priesterin sich in Opernaufführungen (und -aufnahmen) an das Publikum wendet und ruft: „Was soll ich erbitten? Was braucht ihr?“ Der Zuhörer, der sich eine solche Aufnahme zu Hause anhört, soll an dieser Stelle selbst seine Wünsche aussprechen.
Kussman war bereit. Mit fester Stimme sagte er: „Ich will einen Nobelpreis. Die Vizepräsidentschaft. Die ehrliche Zuneigung von Mr. Hedgewick. Mehr Geld. Mehr Untergebene. Und vor allem will ich, daß dieses Ungeheuer Serane auf einer Bananenschale ausrutscht und sich den Hals bricht.“
In diesem Augenblick fiel das Audiomodul in seiner Haube aus und begann zu kreischen. Noch während er sich die Haube vom Kopf riß, zersprang die Perle in Millionen winziger Splitter, die sein überraschtes Gesicht nur deshalb nicht trafen, weil es hinter der Haube verborgen war.
Was war schiefgegangen? Er hatte seine Wünsche ehrlich und aufrichtig vorgetragen. Er hatte zwar schon von solchen Mißgeschicken gehört und davon, daß sie sich genau an dieser Stelle der Aufnahme ereignet hätten, aber das war purer Aberglaube. Irgendwo mußte ein mechanischer Fehler liegen.
Aber er war nachdenklich. So etwas passierte ihm immer. Und es kam daher, daß die Leute ihn nicht verstanden. Er blieb eine Weile finster brütend sitzen; es gab keinen Zweifel daran, daß niemand ihn mochte – nicht die Firma, nicht Hedgewick, nicht Oldham, nicht Pinkster, nicht Humbert, niemand im Labor, nicht einmal seine Frau und seine Kinder. Aber dann stutzte er und besann sich: Ich mag mich noch. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Empfehlung. So empfinde ich ganz gewiß nicht für jeden x-beliebigen. Genaugenommen wüßte ich eigentlich niemanden, den ich außer mir selbst wirklich mag. Also zum Teufel mit ihnen! Und bei diesem Gedanken stand er auf, ging an die Bar und goß sich einen doppelten Scotch ein.
20
Der Hybrid
„Ich habe soeben das Molekularprofil Ihres Trialins getestet“, sagte Serane. „Es ist so, wie ich es vorausgesagt hatte: Alle drei Aminogruppen befinden sich auf derselben Seite des Ringes.“
„Auf derselben Seite des Ringes …?“ Paul wußte, daß er auf Seranes Monitor in Pittsburgh wahrscheinlich ein dummes Gesicht machte.
„Begreifen Sie nicht? Das Trialin, das Sie mit dem neuen Katalysator herstellen, ist ein reines Cis -Isomer und nicht das Razemat, das bei dem alten Hochdruckverfahren herauskam. Deshalb ist es optisch aktiv, und das wiederum bedeutet, daß es auch biologisch aktiv sein müßte.“
Und jetzt erinnerte er sich. Er mußte eine geistige Blockade gehabt haben. Serane hatte biologisch aktives Trialin gegen das Virus empfohlen, welches Billy vernichtet hatte. Paul hatte diese Möglichkeit sogar an jenem Abend der Holo-Gestalt gegenüber erwähnt. Hatte die Gestalt aus diesem Grunde die Temperatur auf dreihundertfünfundzwanzig verringert? Er starrte auf das
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