Der Katalysator
Realist. Er wußte, daß sie einzig zu dem Zweck existierte, die Giftigkeit neuer Chemikalien zu erproben. Er selbst verabreichte ihr die Spritzen oder Tabletten, die jeweils zu testen waren.
Zu Anfang war ihm dies nicht allzu schwergefallen. Sie war ein ganz gewöhnliches Labortier gewesen. Aber das hatte sich rasch geändert. Sie begann eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Sie wurde über alle Maßen zutraulich. Offensichtlich war sie außer sich vor Freude, wenn er kam, um sie zu füttern, und wenn er ging, weinte sie wie ein kleines Kind. Dr. Mukerjee wußte, daß keine der Drogen, die an ihr getestet wurden, ihr Schaden zufügen sollte. Jede war zuvor an Ratten und Hunden erprobt worden. Er sah auch ein, daß es besser war, wenn unangenehme Eigenschaften einer neuen Chemikalie an Lilith zutage träten, als daß es später bei Menschen zu schrecklichen Überraschungen käme. Dennoch erfüllte es ihn mit Unbehagen.
Deshalb war er besorgt und in gewisser Hinsicht auch erleichtert, als er feststellte, daß Liliths gegenwärtige Periode nicht aufhören wollte. Sie dauerte bereits seit Tagen an. Das bedeutete, daß der Drogen-Mischmasch, den sie erhalten hatte, ihre Fortpflanzungsorgane angegriffen hatte. Er würde ihr einen oder auch beide Eierstöcke herausnehmen müssen. Damit könnte Lilith sich aus dem Drogentestgeschäft zurückziehen. Er würde dafür sorgen, daß sie ein sicheres Ruheplätzchen in einem New Yorker Zoo fand. Dort würde sie voraussichtlich wenigstens ein längeres, wenngleich kinderloses (bedauerlich, aber die Wissenschaft hatte ihren Preis) Leben führen können.
Und jetzt, da er über seinen nächsten Zug auf dem Schachbrett nachdachte, trat dieser Rechtsanwalt (ausgerechnet der Anwalt) mit einem Projekt an ihn heran. Mit einem Projekt, das möglicherweise einen von Liliths Eierstöcken betreffen könnte. So etwas konnte kein Zufall sein. Vishnu wachte über sie. Es war Vishnu, der hier sprach. Er würde zuhören.
Als Paul seinen Vorschlag vorgetragen hatte, schob Mukerjee das Schachbrett beiseite und kam direkt zur Sache. Er erklärte Paul genau, was man benötigen würde.
„Sperma?“ sagte Paul nachdenklich. „Wir könnten welches über die Samenbank der Genetikbehörde bekommen.“
Mukerjee runzelte die Stirn. „Das bezweifle ich. Wir müßten alle möglichen Formulare ausfüllen, wir brauchten die schriftliche Zustimmung der zukünftigen Mutter und so weiter. Zudem ist Homo sapiens möglicherweise für Hylobates agilis zu hoch entwickelt, so daß eine Kreuzung nicht gelingt.“
„Ich verstehe. Wir brauchen also etwas Subhumanes.“
„Ich denke schon.“
Paul hatte einen plötzlichen Einfall. „Überlassen Sie das mir.“
Am gleichen Nachmittag rief Paul bei Sheila im Patentamt an. Es dauerte ein paar Minuten, bis er ihr erklärt hatte, was er vorhatte.
„Mit Freddie?“ fragte sie verwundert. „Aber weshalb, Paul?“
„Es hat mit einem sehr wichtigen wissenschaftlichen Experiment zu tun. Wenn es funktioniert, rettet es vielleicht Millionen von Menschenleben.“
„Aber ich habe ihn seit Monaten nicht mehr gesehen – nicht, seit Uriah … Was soll er denn denken?“
„Er wird denken, daß du ihn sehen willst, sonst nichts. Sag ihm, du seist über’s Wochenende in New York. Ich übernehme deine Auslagen.“
„Darum geht es nicht … Weißt du, ich würde ihn wirklich gern wiedersehen, auch wenn er ein Hampelmann ist. Aber wie soll ich ihm erklären … äh … was du willst?“
„Das Präservativ? Sag ihm einfach, du hättest vergessen, die Pille zu nehmen.“
„Naja …“
„Und danach vergiß das Rezept nicht. Du mußt das Glyzerin und
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