Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
eine Frage zu stellen. Sie waren für mich immer das Paradebeispiel einer mustergültigen, harmonischen und intakten Beziehung gewesen. Während meiner Kindheit hatte es bei uns zu Hause viel häufiger Spinat als Streit gegeben. Leider wusste man so etwas ja erst im Nachhinein so richtig zu schätzen.
»Das Geheimnis einer langen Ehe ist, sich nicht zu trennen«, erklärte mein Vater schlicht.
Ja wie, so einfach war das? Dieses Patentrezept wollte ich mir unbedingt merken.
»Zwischen euch ist doch alles in Ordnung?«, vergewisserte ich mich noch einmal sicherheitshalber.
»Natürlich. Allerdings ist es verdammt ruhig bei uns geworden. Jetzt, wo die Kleine auch noch aus dem Haus ist.« Bei diesen Worten tätschelte Mama liebevoll Lilis Hand.
»Ihr könnt Lili jederzeit wiederhaben«, versicherte ich eifrig.
»Hey, da hab ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden«, protestierte meine Schwester empört. »Ich bin doch kein Kanarienvogel, den du einfach so verschenken kannst. Wenn du mich loswerden willst, dann …«
»Kinder! Jetzt ist aber Schluss!«
Obwohl ich dem Besuch meiner Eltern mit Schrecken entgegengesehen hatte, stellte ich fest, dass der Familiennachmittag mir richtig gutgetan hatte. Einziger Wermutstropfen: Die Scheidung von Tante Elfie und Onkel Günter, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Vor dem Einschlafen schwor ich mir hoch und heilig, mich nie scheiden zu lassen. Nie! Und meine Chancen standen nicht schlecht. Denn gar nicht erst zu heiraten war bestimmt der sicherste Weg, dieses hochgesteckte Ziel auch zu erreichen.
Ich hasste Gäste, die ohne Voranmeldung einfach so hereinplatzten. Meist überfielen sie einen genau im ungünstigsten Augenblick. So auch an diesem Tag. Zwar suhlte ich mich nicht im Badewasser, dafür aber in Selbstmitleid – und auch dabei wollte ich keinesfalls gestört werden. Doch der Besucher war hartnäckig, er klingelte bereits zum zweiten Mal. Was für eine Nervensäge! Beim dritten Läuten gab ich mich geschlagen und rappelte mich seufzend von der Couch hoch. Vielleicht war es ja nur Mareike, die mir brühwarm von ihrem neusten Liebesabenteuer berichten wollte. Unser Krisenrat im Kaffeepott war nicht ohne Folgen geblieben. Mareike und der blonde Zeitungsmann hatten erst die Telefonnummern und ein paar Tage später heiße Küsse ausgetauscht. Wahrscheinlich wollte Mareike mir jetzt die Fortsetzung der Lovestory erzählen. Nun denn …
Mit hängenden Schultern schlurfte ich zur Tür. Auf dem Weg dorthin warf ich einen Blick in den Spiegel, der neben der Garderobe hing. Einen Schönheitswettbewerb konnte ich in meiner derzeitigen Verfassung nicht gewinnen. Seit ich Schokolade zu meinem Grundnahrungsmittel ernannt hatte, sprossen die Pickel wie Krokusse an einem warmen Frühlingstag. Und um meine Haare hätte ich mich auch mal wieder kümmern müssen, die hatten schon Wochen zuvor eine Kur beantragt. Doch wofür der Energieaufwand?
Ich linste durch den Türspion – und sah rot. Mindestens zwei Dutzend dunkelroter Rosen, wenn nicht sogar mehr. Mareike brachte mir nie Blumen mit.
Ging dieser Terror etwa jetzt schon wieder los!
Ärgerlich riss ich die Tür auf. »Verdammt, Timo, ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Bring die Blumen zur Villa Kunterbunt, schmeiß sie in den Müll oder verkauf sie in der Fußgängerzone. Mach damit, was du willst, nur schaff mir das Grünzeug aus den Augen!«
Der Rosenstrauß schwang zur Seite, doch nicht Timo, sondern Ludger kam dahinter zum Vorschein.
Überraschung!
Ich zog scharf die Luft ein. Na, der traute sich was! Am liebsten hätte ich ihm seine blöden Rosen um die Ohren gehauen und ihn zum Teufel gejagt. Oder mich in seine Arme geworfen und ihn abgeknutscht. Ich war hin- und hergerissen. In mir wütete ein Gefühlschaos von der Stärke eines Orkans. Ludger nutzte meine Unentschlossenheit geschickt aus. Bevor ich mich für Möglichkeit A entscheiden und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen konnte, hatte er auch schon blitzschnell einen Fuß über die Schwelle geschoben.
»Belinda, wir müssen reden!«
Blödsinn, ich musste nur eins: aufpassen, dass ich nicht zu tief in Ludgers Augen schaute. Ich hatte schon fast vergessen, wie unglaublich blau sie waren. Wie der Himmel an einem strahlend schönen Sommertag oder wie ein Bergsee, der … Schluss jetzt!
»Ich wüsste nicht, was wir zwei uns noch zu sagen hätten«, erwiderte ich kühl und fixierte dabei sicherheitshalber Ludgers
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