Der Kater läßt das Mausen nicht
sein Blut auf die Egge getropft ist? Goulson,
haben Sie vielleicht zufällig einen Fotoapparat hier?«
»Gehört zu meiner Grundausstattung, Professor.
Es gibt immer noch Leute, die gern ein Foto von ihrem lieben Verstorbenen haben
möchten, wenn wir ihn aufgebahrt haben und er friedlich im Sarg liegt, wissen
Sie. Zu meines Vaters Zeiten war es eher die Regel als die Ausnahme. Paps hat
immer eine dieser alten Kastenkameras auf einem Stativ benutzt, bei der man
eine schwarze Samtkapuze über den Kopf stülpen mußte, um ein scharfes Bild zu
bekommen. Dann hat er eine Glasplatte genommen und entweder ein Magnesiumlicht
benutzt oder eine Zeitbelichtung gemacht. Nicht daß die Belichtung ein Problem
gewesen wäre. Der Vorteil bei unseren Porträtierten besteht darin, daß man sich
keine Sorgen darüber zu machen braucht, daß sie herumzappeln und das Bild
unscharf wird. Ich habe die alte Kamera von Paps immer noch, und ich kann Ihnen
eine ganz traditionelle Aufnahme machen, aber da ich annehme, daß Sie das Bild
wohl für detektivische Zwecke brauchen, nehme ich vielleicht doch besser meine
neue Sofortbildkamera. Habe ich mir letztes Jahr angeschafft, als ich mit meiner
Frau in Hawaii war. Ich wollte damit Fotos von den Hula-Mädchen machen, aber
meine Frau hat es mir leider verboten. Einen Moment, bitte.«
Während Goulson die Kamera holte,
dachte Shandy nach. Dieser leblose Körper war gestern noch ein Mensch gewesen. Jetzt
stellte er nur noch ein Problem dar, das auf irgendeine Weise aus dem Wege
geräumt werden mußte. Goulson konnte das mit den physischen Überresten tun.
Aber es sah ganz so aus, als bliebe das andere an Shandy hängen.
Er verspürte immer noch keinerlei Gefühlsregung,
was Professor Ungley betraf. Sicher war er da nicht der einzige. Mrs. Lomax
hatte auch nicht mehr als höfliche Betroffenheit gezeigt, obwohl sie immerhin
seit Jahren mit dem Verstorbenen unter einem Dach gelebt hatte, und sie war
bestimmt keine kaltherzige Frau. Vielleicht würden ihn seine alten Freunde aus
der Balaclava Society vermissen. Shandy hoffte jedenfalls, daß sie dies taten,
und wenn auch nur ein klein wenig. Seine eigenen Gedanken kreisten jedoch immer
noch um den merkwürdigen Widerspruch zwischen den dicken Krusten aus
getrocknetem Blut auf dem kahlen Kopf des Toten und dem winzigen Spritzer, den
er auf der Egge gefunden hatte. Möglicherweise war Ungley an einem völlig
anderen Ort umgebracht und dann erst an die Stelle transportiert worden, wo
Mrs. Lomax ihn gefunden hatte. Shandy beugte sich über den
Einbalsamierungstisch und hob den Körper versuchsweise hoch. Für einen so
großen Mann war er nicht übermäßig schwer, und es wäre sicher ein leichtes
gewesen, ihn über den gefrorenen, glatten Hof zu schleifen. Ihn neben der Egge
fallenzulassen und genug Blut auf die Maschine zu schmieren, um Fred Ottermole
zu täuschen, war sicher ein Kinderspiel.
Shandy hatte zwischen dem Unkraut, das
in unmittelbarer Umgebung der Egge wuchs, nach Blut- und Schleifspuren gesucht,
doch die vielen Menschen hatten natürlich inzwischen den Boden dort so
plattgetreten, daß er seine Hoffnungen auf einen Fund hatte begraben müssen.
Kater Edmund hatte bestimmt etwas gesehen, doch er würde nichts verraten. Er beschloß,
einen anderen Gedankengang zu verfolgen. Warum trug Ungley beispielsweise einen
Totschläger, wenn er doch ein derart geordnetes und bis ins kleinste
strukturierte Leben führte? Warum hatte jemand seine Wohnung so vorsichtig,
aber gründlich durchsucht und seine sämtlichen Unterlagen fortgeschafft? Wie
konnte ein langweiliger alter Mann, der vor einer Handvoll Leute, die nichts
Besseres zu tun hatten, als sich seine Sermone anzuhören, langatmige Vorträge
über völlig unwichtige Themen hielt, auf derartig dramatische Weise aus dem
Leben scheiden?
Die offensichtlichste Erklärung war
wohl, daß Ungley etwas besessen hatte, das ein anderer unbedingt in seinen
Besitz bringen wollte. Es war offenbar etwas Kleines gewesen, das man leicht
verstecken konnte, sonst hätte sich der Eindringling nicht die Mühe gemacht,
hinter den Sofakissen zu suchen. Ungley mußte wohl gewußt haben, daß er in
Gefahr schwebte, weil sich etwas Bestimmtes in seinem Besitz befand, sonst
hätte er diesen Totschläger sicher nicht zu seinem Schutz mitgenommen. Shandy
war der Meinung, daß ein bleigefüllter silberner Fuchs durchaus als getarnte
Waffe angesehen werden konnte. Es sei denn, der alte Kauz hatte den Fuchs
absichtlich
Weitere Kostenlose Bücher