Der Katzenelf (German Edition)
„Ich werde hier nichts verändern, du brauchst dir also keine Hoffnungen zu machen. Ja, vielleicht gehe ich für einige Zeit fort, doch hier wird alles so bleiben wie es ist!“ Er holte tief Luft und sie bemerkte, dass wieder der alte, geschäftstüchtige Benno vor ihr saß. Und doch nahm er sich zusammen und fragte in einem sanfteren Ton als sie es von früher her kannte: „Du kannst doch nicht hier alles so brach liegen lassen, denke doch daran, was für ein unermessliches Vermögen du zu verwalten hast. Wenn du nicht hier bleibst, brauchst du weder das Haus, noch die Grundstücke, geschweige das Tal hinter dem Buckligen Berg!“ Aber Isa antwortete sehr bestimmt: „Ich will mit dir darüber jetzt nicht sprechen, Benno! Lass mich endlich mit deinen Tourismusplänen in Ruhe!“
Sofort versuchte er wieder einzulenken und wechselte das Thema. So verbrachten sie einen friedlichen und angenehmen Nachmittag vor dem knisternden Kaminfeuer und obwohl er insgeheim hoffte, dass sie ihn zum Abendessen einladen würde oder ihm sogar anbot die Nacht hier zu bleiben, sagte er nichts, als sie ihn darauf aufmerksam machte, dass die kleine Mittelgebirgsbahn in einer halben Stunde ihr letzte nächtliche Fahrt antrat. Er zog seinen Mantel an, verabschiedete sich mit einem innigen Kuss von Isa und spazierte in die Abenddämmerung hinaus. Isa sah ihm nach und sie bemerkte, dass er nicht den Weg zur Bahnstation, sondern hinauf zum Schloss stapfte. Sie lächelte schadenfroh, schloss die Haustüre, versperrte sie und ging ins Bett.
Voller Trauer dachte sie an Prinz, an sein weiches nach frischer Luft und Honig duftendes Fell, an seine leuchtenden Augen und sein genüssliches Schnurren, wenn er sich an sie schmiegte. Sie war voller Sehnsucht und während sie müde vom Wein und Bennos Geplänkel in die Kissen sank, schimmerten vor ihren geschlossenen Augen die Bilder jener Welt, die sie aus Heimweh zu ihrer eigenen verlassen hatte. Und in dieser Nacht bereute sie zum ersten Mal, dass sie freiwillig von Taras fort gegangen war. Sie fühlte sich hier nicht mehr so richtig zuhause. Die Menschen mit ihrem ewigen Streben nach Gewinn, Macht und Anerkennung waren ihr so fremd geworden, dass sie schauderte, wenn sie daran dachte, dass sie vielleicht eines Tages auch so werden würde. Nein, niemals durfte das geschehen!
Rubina saß in ihrem Erkerfenster und sah durch ihr Fernglas, wie Benno drüben das Haus am See verließ und den schmalen Fahrweg herauf zum Schloss einschlug. Zornig presste sie ihre kleinen Hände zu Fäusten, so dass ihre schmalen Fingerknöchel sich weiß von ihrer elfenbeinfarbenen Haut abhoben. Sie dachte: „Also doch, Isa ist wieder zurückgekehrt und schon besucht Benno sie! Was wollte er wohl von ihr? Kam er jetzt vielleicht mit dem unterschriebenen Vertrag in der Tasche auf einen für ihn triumphierenden Besuch vorbei? Wohl kaum. Wahrscheinlich hatte er Isa besucht, um ihrer gemeinsamer alten Zeiten willen! Dieser sentimentale Idiot!“ Jäh durchzuckte sie so etwas wie Angst. Wenn sie so wie der bösartige Fluch von Taras lautete, ewig unter den Menschen leben musste, könnte es dann sein, dass sie auch körperlich die menschlichen Eigenschaften annahm und sie alt und hässlich wurde? Voller Panik lief sie zu dem großen Spiegel und prüfte ihr Gesicht. Waren da nicht kleine Fältchen und Linien an ihren Augen und Mundwinkeln? Da es draußen bereits dunkelte, zog sie schnell die Stehlampe heran und prüfte nochmals. Ja, hier und da waren kleine Linien und Zeichen eingegraben, noch fast unsichtbar. Ansonsten war ihre Haut glatt und zart wie immer. Trotzdem beschloss sie sofort das schwarze Zauberbuch, das die Nixe Vailea bei ihrer Flucht aus dem Verborgenen Reich mitgenommen hatte, so schnell wie möglich zu Rate zu ziehen. Wo blieb diese Person überhaupt? Noch bevor sie wieder, wie so oft in letzter Zeit schlechte Laune überkam, öffnete sich die Türe und Vailea trat ein. Immer noch war Schilfgrün ihre Lieblingsfarbe, sie trug ein bodenlanges Samtkleid, das im Schein der Lampen fast grünsilbrig schimmerte.
Ihre ehemals grünen langen Wallehaare waren jetzt blauschwarz gefärbt und zu einem modernen, gestuften Fransenschnitt gestylt, der ihr liebliches Gesicht vollendet umrahmte. Sie war bildschön und Rubina, die ihr zusah, wie sie mit geschickten, eleganten Bewegungen zwei Champagnergläser aus dem Schrank nahm und die Flasche dazu unter ihre Achsel klemmte, durchzuckte Neid und Misstrauen. Vielleicht
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