Der Katzenelf (German Edition)
er tot, verletzt oder irgendwo eingesperrt! Denk und forsche nach, suche seine Spuren, es muss irgendwo eine Fährte von ihm geben!“
Doch Prinz hatte bisher kein Lebenszeichen von Kuzo gefunden und so schmiegte er sich traurig an den Stamm der Eiche um wenigstens das tröstliche Pochen von Sophus Herzen unter der Rinde zu spüren.
In jener Nacht war wieder Vollmond. Isa schlief bis Mitternacht sehr unruhig und wachte immer wieder auf. Ihr Unterbewusstsein wartete dauernd auf das Klappern der Katzentüre, doch anscheinend liebte Prinz besonders Vollmondnächte, er kam nicht nachhause und endlich fiel Isa in einen tiefen Schlaf.
Und wieder träumte sie, sie wäre die Katze mit dem lohfarbenen Fell. Diesmal lief sie allein in den dunklen Wald und schlug den Steig zur Jagdhütte ein. Sie fühlte sich leicht, fast schwerelos und es war ihr, als würde sie fliegen, knapp über der dicken Schneedecke des Waldbodens, die im hellen Licht des Mondes blausilbern schimmerte. Sie war froh und unbeschwert und die leicht bittersüße Sehnsucht, die sie tagsüber seit der Silvesternacht immer wieder überfiel, spürte sie nicht mehr, sie empfand sich glücklich und frei.
Als Isa die Hütte erreichte, bemerkte sie, dass schummriger Lichtschein aus einem der Fenster fiel. Neugierig sprang sie mit einem Satz auf das Fensterbrett und sah in das Innere. Drinnen hockte ein sehr kleiner, verwachsener Mann vor dem Ofen und schob Holz ins Feuer. Er drehte sich um und sie bemerkte, dass er einen grauen Bart trug, der gar nicht in sein junges Gesicht passte. Er war in schweren Lodenstoff gekleidet und hatte genagelte Bergschuhe an seinen Kinderfüssen. Ein Modell, wie es vor hundert Jahren vielleicht mal in Mode war, ähnlich dem Schuhwerk der damaligen Holzfäller in dieser Region.
Der kleine Mann lächelte und winkte ihr zu. Er trat zum Fenster, öffnete es und ohne jegliche Angst vor dem seltsamen Wesen, glitt Isa in die Wärme der Hütte. Er hatte die Größe eines achtjährigen Knaben und wirkte doch wie ein ausgewachsener Mann. Er bat sie näher ans Feuer und sie bemerkte ein Glas roten Weines und die angebrochene Flasche, welche, neben zwei Kissen am Boden standen. Mühsam kletterte das Männchen auf die Vitrine und holte ein weiteres Glas hervor, in das er Wein goss und welches er ihr lächelnd und mit einem aufmunternden Kopfnicken reichte.
Obwohl sie ja eine Katze war, setzte sie sich auf den Boden und nippte schweigend und voller Genuss am Glas. „Ich bin Kuzo“, sagte er, „ein Freund von Taras“. Sie fragte sich wer wohl Taras wäre und sah ihn verwundert an, doch er beachtete sie nicht. Er holte ein Beutelchen aus schwarzem Samt aus einer seiner Taschen, öffnete es und hielt es ihr hin. „Das ist der Geburtsstein unseres Prinzen Taras. Du musst ihn deiner Katze geben Isa, es ist sehr wichtig. Sehr wichtig! Vergiss es nicht!“
Und während sie noch auf das goldene Leuchten des Tigerauges starrte, das gefasst in schwerem Gold, auf schwarzem Samt gebettet sie anstrahlte, verschmolzen die Hütte, das wärmende Feuer, die Weingläser und der kleine Mann zu einer anderen Figur.
Plötzlich stand eine seltsame Gestalt vor ihr. Es war eine Frau, die gleiche schwarzhaarige Frau, die sie am vorherigen Abend am Fenster des Jagdschlosses erblickt hatte. Sie sah mit ihren stechenden, schwarzen Augen ihr direkt ins Gesicht und rief drohend. „Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten, du bist eine Menschenfrau, du würdest es bitter bereuen!“ Und sie streckte ihre schmalen Finger, an denen rote Juwelen glänzten, gierig nach dem goldbraunen Stein aus. Doch sie erreichte ihn nicht, denn irgendein eigenartiger Sog zog sie von dem goldenen Leuchten fort. Isa hatte Angst und erschreckt hörte sie plötzlich lautes Klappern.
Sie erwachte schwitzend und mit einem scherzhaften Druck auf ihrem Herzen. Prinz war soeben durch seine kleine Tür gekrochen und sprang zu ihr aufs Bett. Schnurrend kuschelte er sich an ihren Körper. Sein kaltes Fell roch nach Nacht und Schnee.
Der seltsame Traum ließ sie nicht mehr los.
Ein paar Tage später fuhr sie mit der kleinen Gebirgsbahn in die Stadt. Während der Zug durch ein Waldstück rollte und die verschneiten Fichten und Tannenbäume an ihr vorüber glitten, versuchte sie sich genau an diesen Traum zu erinnern und es schien ihr, als hätte sie die Nacht in der Berghütte real erlebt. Verwirrt drehte sie an ihren Locken und stieg in der Stadt aus. Nachdem sie bei Mohan ihre Zeichnungen
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