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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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Kenrick hinter der Seele irgendeines Menschen her war, aber natürlich fragte sie sich, was den rätselhaften Burgherrn so grüblerisch und zurückhaltend hatte werden lassen. Während ihres kurzen Aufenthalts auf der Burg hatte sie den täglichen Abläufen lediglich entnehmen können, dass nur Ariana und Braedon Kenricks Vertrauen genossen, doch auch die Familienangehörigen schien der Burgherr auf Distanz zu halten.
    Gab es überhaupt einen Menschen, der diesen Mann wirklich kannte?
    Sie hielt es für unwahrscheinlich, setzte er doch offenbar alles daran, ein Leben in Abgeschiedenheit zu leben. Kenrick of Clairmont war unerreichbar, ganz gewiss schwer zu durchschauen, und Haven hatte keinerlei Zweifel, dass der kühle, berechnende Blick seiner blauen Augen manch ein Geheimnis barg.
    Für ihr Empfinden aber waren es gerade jene Geheimnisse, die ihn umso unberechenbarer und sogar gefährlich erscheinen ließen.
    Obwohl sie sich kaum an das Leben erinnern konnte, das sie geführt hatte, ehe sie nach Clairmont kam, wusste sie, dass sie sich womöglich weiteren Gefahren aussetzte, wenn sie noch länger bliebe. Abgesehen von der beunruhigenden Gegenwart des Mannes selbst strahlte die Burg eine eigenartige Aura aus. Deutlich konnte Haven spüren, wie unsichtbare Kräfte und Spannungen auf sie einwirkten, was sie nur in ihrem Vorsatz bestätigte, den Ort bei nächstbester Gelegenheit zu verlassen.
    Aber für eine Flucht musste sie körperlich wieder ganz hergestellt sein, und das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Fall.
    »So, nun bin ich fertig«, sagte die Zofe, als sie das letzte Stück des Verbandsstoffes befestigt hatte. Sie half Haven beim Aufstehen und ging ihr bei dem Kleid zur Hand. Mit einem feinen Rascheln schmiegte sich die Seide des geborgten blauen Kleids an Havens Leib, die langen Röcke umschmeichelten ihre Beine bis hinab zu den zierlichen Füßen, die nun in weichem Schuhwerk steckten.
    »Wünscht Ihr, dass ich Euch in die Große Halle begleite? Es ist Zeit für die Mittagsmahlzeit.«
    »Nein. Hab Dank, Mary«, erwiderte Haven. »Ich denke, ich werde zunächst einen kleinen Spaziergang machen und mir die Beine vertreten.«
    »Wie Ihr wünscht.«
    Das Dienstmädchen lächelte, ergriff die alten Verbände und verließ das Gemach.
    Eifrig um die baldige Genesung bemüht, folgte Haven kurz darauf der Zofe auf den Korridor.
    Die Bewohner von Clairmont Castle hatten sich längst an die häufigen Spaziergänge der fremden Frau gewöhnt, und da der Burgherr gewiss jedem hatte ausrichten lassen, dass sich sein Gast frei bewegen dürfe, kümmerte es niemanden, wenn Haven durch die Burg ging.
    Sie hatte es sich inzwischen zur Gewohnheit gemacht, zunächst durch das zweite Stockwerk des Burgfrieds zu schlendern. Auf dieser Ebene des stattlichen Wohnturms befanden sich die meisten Gemächer und Kammern, und Haven ließ sich Zeit, während sie die Gänge entlangschritt, um ihren Körper ja nicht zu überanstrengen. Mit jedem Tag fühlte sie sich kräftiger, und das war genau die Ermunterung, die sie brauchte, denn mit den Gedanken war sie bereits bei dem Tag, an dem sie kräftig genug wäre, um Clairmont Castle Lebewohl zu sagen, wie Kenrick es ihr in Aussicht gestellt hatte.
    Und fürwahr, ich werde aufbrechen, dachte Haven, als sie die letzte Biegung des Gangs nahm. So bald wie möglich würde sie Kenricks Angebot in Anspruch nehmen und in Begleitung einer Eskorte zu ihrem alten Lebensmittelpunkt zurückkehren.
    Wo auch immer das sein mag, ging es ihr durch den Kopf, als sie sich einmal mehr den Verlust ihrer Vergangenheit bewusst machte.
    Oder sogar den Verlust ihres Selbst.
    Sie fühlte sich nur halb lebendig, als sie durch die Gänge dieser fremden Burg wandelte. In einer ihr unbekannten Welt war sie wieder zu sich gekommen und füllte nun ein Dasein aus, das ihr merkwürdig fremd und unvollkommen erschien.
    Mochten die Erinnerungen an den Überfall auf Greycliff Castle auch wie eine drohende schwarze Wolke über ihr hängen, Haven ahnte, dass sie sich eines Tages den finsteren Stunden jener Nacht würde stellen müssen. Und zwar gar nicht mal für Kenrick of Clairmont und dessen geheimes Trachten. Auch nicht für die Familie, die in jener Nacht in Cornwall ausgelöscht worden war – Menschen, die Haven nur schemenhaft vor Augen, aber doch in freundlicher Erinnerung hatte, und deren Schicksal sie zutiefst bedauerte.
    Nein, für sie selbst war es unerlässlich, sich wieder an die Ereignisse jener

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