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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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so heiteres Antlitz. »Ich fürchte, das Böse, dem wir vor all den Monaten in Frankreich begegnet sind, könnte uns hier in Clairmont Castle erneut heimsuchen. Es sei denn, wir unternehmen Schritte, um diese Absichten zu vereiteln. Und dabei könnt Ihr uns helfen, Haven. Alles, was Ihr in jener Nacht gesehen oder gehört haben mögt – auch wenn es Euch noch so unbedeutend erscheint – , müsst Ihr Kenrick mitteilen.«
    Haven sah zu dem geöffneten Fenster hinüber und ließ den Blick über die Anhöhe in der Ferne gleiten. Sie wusste nicht recht, was sie von Lady Ariana und diesen inständigen Bitten halten sollte. Das Ersuchen kam ihr zwar vernünftig vor, aber dennoch verspürte sie einen Widerwillen, der Bitte nachzukommen.
    Ebenso wenig wusste sie, was sie von Kenrick of Clairmont halten sollte, vor allem, da sie nun mit seiner Schwester gesprochen hatte, immerhin einer freundlichen, klugen Frau, die ihm in Liebe zugetan war. Haven mochte das Gefühl nicht, diesem Mann zu Dank verpflichtet zu sein, wenn sie sich vor Augen führte, wie Kenrick ihr das Leben gerettet, ihre schlimme Wunde versorgt und sie auf seine Burg gebracht hatte.
    Sie schuldete ihm nichts.
    Das traf tatsächlich zu, sie schuldete niemandem auf der Burg etwas. Sie hatten sie zuvorkommend behandelt, als sie in Not war, und das wusste sie zu schätzen. Dennoch, all dies bedeutete noch lange nicht, dass sie in die Schwierigkeiten dieser Leute mit hineingezogen werden wollte.
    Haven zuckte zusammen, als sie eine sanfte Hand auf ihrer Schulter spürte.
    »Ich werde Euch nun in Ruhe lassen«, sagte Ariana. »Vielleicht könnt Ihr mich morgen in den Garten begleiten, wenn Ihr mögt. Der Küchenmeister bereitet Kapaune in Sahnesoße zu, und da habe ich versprochen, ihm frische Kräuter zu bringen.«
    Mit einem leichten Nicken gab Haven ihre Zustimmung. »Ich würde gern wieder an der frischen Luft sein.«
    »Wunderbar.« Ein Lächeln erstrahlte auf Arianas Lippen. »Also dann bis morgen.«

12
    An diesem Abend fand Haven nur schwer in den Schlaf. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie sich von beängstigenden Bildern bestürmt – die Erinnerungen kehrten stärker als zuvor zurück, drängten immer öfter an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Wie ein sich düster entfaltender Traum zogen die Bilder des nächtlichen Überfalls hinter ihren schweren Lidern vorbei. Haven schlug mit den Fäusten auf das Bett und versuchte, sich dem Ansturm der Erinnerung zu entziehen. Aber wie es schien, trugen diese Versuche nur dazu bei, dass die Bilder umso schärfer hervortraten.
    Erneut sah sie den Rauch und die Flammen, entdeckte die Angreifer, die aus den Schatten heranstürmten und von allen Seiten in die Burg einfielen. Sie hörte einen Schrei, dann einen herben Fluch, von Zorn überlagert. Deutlich nahm sie den Geruch der blanken Stahlklingen wahr und wenig später den unverwechselbar metallenen Geruch von vergossenem Blut.
    Noch ist es nicht zu spät!
    Die Worte hallten in ihren Ohren wider, schroff und gebieterisch. Und irgendwie schien ihr die Stimme vertraut zu sein.
    Sag uns, wo es ist!
    In ihrem unruhigen Halbschlaf warf sich Haven von einer Seite auf die andere, und das fein gesponnene Gewebe ihrer Zudecke legte sich wie ein Strick um ihre Beine. Verzweifelt kämpfte sie gegen die Einengung an, wie auch gegen den Traum, der über sie hereinbrach. Allerdings war es gar kein Traum, sondern die Erinnerung. Hell und scharf kehrten die Bilder zurück – genauso hell wie die Flammen, die Greycliff Castle und diejenigen, die einst dort gelebt hatten, verschlangen.
    Sag es uns!
    Bei Gott, sie wollte doch gar nicht dort sein, wollte nichts mehr von alledem sehen …
    »Noch ist es nicht zu spät, um sie zu retten!«
    Es war der Klang der eigenen Stimme, der sie schließlich weckte. Verwirrt richtete sich Haven abrupt in ihrem Bett auf. Dort saß sie, keuchend, zitternd, mit Schweißperlen auf der Stirn. Bei allem, was ihr heilig war, fragte sie sich, verlor sie allmählich den Verstand?
    Was hatte das zu bedeuten, dieser fürchterliche Albtraum – diese schrillen, gerufenen Worte, die noch wie Donnerschläge in ihren Ohren nachklangen?
    Da war mehr, das wusste sie. Weitere Einzelheiten lauerten in ihrer Erinnerung hinter den Schleiern, die sich gerade lüfteten. Doch sie glaubte nicht, dass sie in dieser Nacht noch weitere Traumbilder ertragen könnte.
    Genug der Erinnerungen.
    Die Luft in der Kammer war stickig, die vier Wände wirkten einengend.

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