Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
willst.«
»Bei allen Heiligen«, entfuhr es Braedon, der sich nun zu Kenrick hinüberbeugte. »Du hast sie doch nicht etwa gezwungen … «
»Herrgott, nein!«, erwiderte Kenrick erschrocken. »So ausgehungert – oder gar verkommen – bin ich nun auch wieder nicht, dass ich zu solchen Mitteln greifen würde. Das hoffe ich zumindest. Wenn es um Haven geht, weiß ich manchmal nicht, zu was ich vielleicht fähig wäre. Diese Frau verwirrt mich, bringt mich um den Verstand.«
»Du hast das Gefühl, es sei zum Verzweifeln, sobald du an sie denkst?«, bot Braedon an.
»Ja.«
»Du fühlst dich entmutigt?«
»Ja, auch.«
Braedon lächelte nun still in sich hinein und hielt den Blick auf den Horizont gerichtet, als habe er sich ganz in seinen Gedanken verloren. »Wahrscheinlich ist sie die beunruhigendste weibliche Person, die dir jemals über den Weg gelaufen ist, habe ich recht?«
Kenrick nickte beifällig. »Ja, das stimmt. Endlich verstehst du mich.«
Wieder folgte dieses rätselhafte Lächeln, diesmal war es jedoch Kenrick zugedacht. Braedon beugte sich herüber und klopfte seinem Schwager auf die Schulter. »Und wie ich dich verstehe, Schwager. Besser, als du denkst.«
»Sie wird allmählich zu … einem Problem für mich.«
»Ja, Frauen sind schwierig, so viel steht fest.«
»Ganz recht, und für dieses Problem gibt es keine einfache Lösung.«
»Ich dachte, Herausforderungen seien ganz nach deinem Geschmack.«
»Es gibt schon genug Herausforderungen, denen ich mich stellen muss. Da brauche ich mich nicht zusätzlich von Haven ablenken zu lassen.« Er lenkte sein Pferd um eine tiefe Furche auf dem befestigten Weg herum. »Was würdest du an meiner Stelle tun?«
»Du meinst, wenn ich gezwungen wäre, mit einer Frau unter ein und demselben Dach zu wohnen, die mich so sehr in Versuchung führt, dass ich bereits den Verstand verliere? Und das, obwohl ich gar nicht im Sinn hatte, sie in mein Bett zu locken?«
»Genau.«
Braedon warf ihm einen durchtriebenen Seitenblick zu und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Na ja, ich würde sie heiraten.«
Kenrick fiel es schwer, den Humor seines Freundes zu teilen, da die Lösung für sein Ungemach in so weiter Ferne lag.
Sie heiraten, in der Tat. Die Freuden des Ehelebens waren allerdings Leuten wie Braedon und Ariana vorbehalten.
Oder Rand und Elspeth.
Aber die Ehe war nichts für ihn.
Er gehörte nicht zu den Leuten, die von genügsamen Stunden zu Hause am Kamin träumten. Er konnte nicht gut mit Menschen umgehen und gepflegte Konversation betreiben. Und es mangelte ihm auch an Geduld, um sich tagein, tagaus mit den unbedeutenden Kleinigkeiten des Alltags zu beschäftigen. Sein Geist sehnte sich nach größeren Herausforderungen, nach der Suche nach bedeutenden Wahrheiten.
Mochte er auch sehen, wie glücklich seine Schwester und ihr Gemahl waren, oder an die Freude zurückdenken, die Rand und Elspeth miteinander geteilt hatten, Kenrick konnte sich kaum vorstellen, dass dieses Licht eines Tages auch für ihn leuchten würde.
Und was die Liebe betraf …
Nun, Schwärmereien von verklärter Zweisamkeit waren etwas für Sänger und Dichter. Für ihn stellte die Liebe das größte Rätsel überhaupt dar: Sie war unermesslich und ohne greifbaren Inhalt. Sie war nichts weiter als eine Illusion, der er um nichts in der Welt zu verfallen gedachte.
Er war ein Mann, für den allein handfeste Beweise und Tatsachen zählten – eine Haltung, die ihm bei seinen Bestrebungen in der Kirche und während seiner Zeit bei den Tempelrittern nicht gerade zum Vorteil gereicht hatte.
Auch der Glaube war etwas, auf das er sich bei seiner Sicht der Welt nicht einlassen konnte … das Gleiche galt für die Liebe.
Wenn etwas nicht messbar war, nicht klar auszuloten und erklärbar, wie konnte es dann existieren?
Der Drachenkelch war Teil der erfahrbaren Wirklichkeit; und die Suche nach dem Schatz war ein Ziel, dem er sich voll und ganz verschreiben konnte. Jahre hatte er nun schon damit verbracht, den sagenhaften Kelch zu finden. Daher war er nach wie vor fest entschlossen, die Suche auch fortzusetzen, bis das Gefäß endlich in seinem Besitz wäre. Er konnte es sich schlichtweg nicht leisten, auch nur einen einzigen Gedanken an körperliches Begehren – oder an die Liebe – zu verschwenden und sich dadurch von seinem Vorhaben abbringen zu lassen.
»Ich sollte ihr erlauben, Clairmont Castle zu verlassen.«
Er hatte gar nicht gemerkt, dass er diese Worte laut
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