Der Kelim der Prinzessin
stichelte Guy, »er wird auch wissen, warum wir nicht bequem ihm entlang im Tale wandern, sondern uns den steilsten Saumpfad erwählen!«
Roc sagte nichts, sondern ließ auch die drei Okzitanier in die Wand einsteigen, bevor er sich, gefolgt von Baitschu, auf den Weg machte. Der Bär erwies sich als unermüdlicher Kletterer, jedes Mal, wenn Roc glaubte, nun das ihm unbekannte Ziel endlich erreicht zu haben, tauchte das nur für ihn wahrnehmbare Fell des Tieres irgendwo zwischen den Felsen der nächsten Anhöhe auf. Doch dann, als sie schon völlig erschöpft waren, bot sich ihnen plötzlich eine Aussicht hinab auf das Jordantal, von überirdischer Schönheit - wie auf das verheißene Land. Die Gefährten ließen sich ermattet niederfallen, aber Roc trat bis an den Rand der Klippen.
»Du lässt andere für dich kämpfen und sterben, Roc Trencavel«, vernahm er die Stimme, auf die er gewartet hatte, doch sie klang genauso müde, wie er sich fühlte. »So verlierst du deine königliche Kraft - «
Roc machte sich nicht die Mühe, nach dem Schamanen Ausschau zu halten. »Ich lege keinen Wert mehr auf die Erlangung des Königtums«, stellte er ohne Aufregung klar, »ich wünsche mir nur das Glück, das ich allein an der Seite Yezas finden kann - «
»Dann suche sie!«, beschied ihn die Stimme hart. »Such sie nicht bei den Templern, denen du aus dem Weg gehen solltest, Wo immer sie den deinen kreuzen!« Die Worte Arslans drangen klar und deutlich an sein Ohr.
»Such sie allein, ohne jegliches kampferprobte Gefolge - so kommst du nicht in Versuchung, die Macht des Schwertes einzusetzen, das dich - «
Die Stimme erlosch wie die Flamme eines von einem heftigen Windstoß erstickten Feuers - übertönt von dem Schnauben unzähliger, Tausender Pferdenüstern, dem Klirren eines Lanzenwaldes, dem Knarren der
Wagenachsen und dem vieltausendfachen Hufschlag. Roc sah hinab in die weite Ebene, seine Augen suchten den Anblick des Heeres der Mongolen zu erhaschen, doch da war das
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Geräusch weggeweht, und dem Auge bot sich wieder die verheißungsvolle Lieblichkeit des Jordantales. Der Trencavel befahl den Abstieg. Wie sich der Alte das wohl vorstellte: Er einsam und allein, vielleicht wie ein mongolischer Iltschi, auf der Suche nach Yeza?! Nein, mit den Mongolen wollte er nichts mehr zu tun haben!
Mit ihrem Königlichen Paar klammerten sie sich an ein Hirngespinst, das er nicht länger gewillt war, mit seinem Blut am Leben zu erhalten! Hinter allem stand natürlich jene geheime Bruderschaft, der die Grande Maitresse vorsaß, die auch den Orden der Templer an unsichtbaren Fäden in jede gewünschte Richtung bewegte. Da hatte Arslan Recht, auch an die stolzen Ritter unterm Tatzenkreuz sollte er sich nicht länger halten - doch, wenn Yeza in deren Hand war? Sie, Schwester und Geliebte, Genossin und Rivalin, untrennbarer Teil von ihm und dem Bild, das sich andere von ihnen machten - Yeza war der Antrieb, aber auch das größte Hindernis seines Lebens.
Roc wusste nicht, an wen, wohin sich wenden? Wie sollte er sich verhalten? Er fühlte sich umstellt von grauen, tauben, undurchdringlichen Wänden. Wären sie von heller, kristallener Klarheit, er würde durch sie hindurchschreiten, ohne sich zu bedenken. Seine Hand legte sich auf Baitschus Schulter, als könne der Knabe ihm raten. Doch der strahlte seinen Helden nur hocherfreut an.
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Ich erwachte nur zögerlich und im völligen Dunkel. Mein Auge suchte die Schießscharte, ich fand sie nicht, es war wohl tatsächlich Nacht. Ich wollte mich erheben, denn ich lag am Boden, doch meine Glieder waren wie Blei, ich spürte sie nicht. Es gelang mir nicht, mich zu erinnern, was mit mir geschehen war, so sehr ich mich auch quälte. Dann wurde meine Aufmerksamkeit von mir abgezogen, ich hörte über mir Stimmen, im ersten Moment war es, als vernähme ich das heisere Organ der Grande Maitresse - doch würde sich die alte Dame ausgerechnet jetzt in das belagerte Sidon begeben? Die andere gehörte ganz klar Marc de Montbard.
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»Der Bretone verlangt die Stellung einer Eskorte, um die Prinzessin nach - irgendwo im Norden oder Osten in Sicherheit zu bringen?«, trug der Komtur mit unterschwelligem Protest vor, doch der trockene Bescheid nahm darauf keine Rücksicht.
»Dann gebt sie ihm doch! Hier im Qa'lat al-bahr ist es sowieso zu eng!« Das war nicht die Stimme der Grande Maitresse - auch nicht die des Thomas Berard, dessen ätzender Tonfall mir
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