Der Keller
Tyler.
»Sei vorsichtig«, sagte sie.
»Keine Angst.«
Jack stand neben ihr und schob Patronen in das Magazin seiner ,45er.
»Haben Sie auch eine Waffe für mich?«, fragte Gorman.
»Nein, tut mir leid.«
Tyler schlang die Arme und Abe und drückte ihn fest an sich.
»Können wir auf dem Hinweg bei Käpt’n Frank vorbeischauen?«, fragte Gorman. »Das liegt ja auf dem Weg. Der Alte hat ein richtiges Arsenal, und er würde mir sicher eine seiner Waffen ausleihen.«
»Keine Zeit«, sagte Jack.
Abe küsste Tyler fest auf den Mund. »Ich bin im Handumdrehen wieder da.«
»Das hast du vorhin auch schon gesagt.« Ihre Stimme klang gepresst und zitterte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Und ich bin wieder zurückgekommen.«
»Aber du hast dir Zeit gelassen.«
»Diesmal werd ich mich beeilen.« Er tätschelte durch die weichen Falten ihres Rocks ihren Hintern. »Jetzt kümmere dich um Janice.«
»Jawohl, Sir«, sagte sie mit bebendem Kinn, drehte sich um und eilte davon.
»Also, gehen wir’s an«, sagte Abe.
Tyler schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Tränen rollten ihre Wangen hinab. Durch ihre Schluchzer hörte sie, wie der Wagen davonfuhr.
Verdammt, wie konnte er sie nur noch einmal allein zurücklassen?
Weil er ein Mann ist.
Weil er seinen Stolz hat.
Weil es in seiner Natur liegt, anderen zu helfen, selbst wenn er dabei sein Leben riskiert.
Wenn er nicht so wäre, wäre er nicht Abe und ihm würde genau das fehlen, was sie ihn so verzweifelt lieben ließ.
Verflucht.
Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers über das Gesicht. Dann stieß sie sich von der Tür ab und ging durch den nun verlassenen Raum.
Aus dem Badezimmer drang das Rauschen der Dusche. Sie öffnete die Tür und konnte Nora und Janice als undeutliche Silhouetten hinter dem Plastikvorhang erkennen.
Mit einer Handvoll Toilettenpapier wischte sie die Blutspuren von der Klobrille.
»Wie geht’s ihr?«, fragte sie und schob den Duschvorhang einen Spalt weit auf.
Nora schüttelte den Kopf. Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ schluchzend ein Stück Seife sanft über Janices Rücken gleiten.
Janice stand unter dem Wasserstrahl, hatte die Handflächen auf die Wand gelegt und die Stirn gegen die Fliesen gelehnt. Jetzt, wo das Blut und der Schmutz fortgespült waren, konnte man ihre un-gebräunten Hautpartien erkennen: einen dünnen blassen Streifen quer über ihren Rücken und ein ebenso bleiches Dreieck auf ihrem Hinterteil. Dadurch wirkte das Mädchen irgendwie realer und noch verletzlicher als zuvor - ein Teenager, der gerne ein Sonnenbad nimmt, im Meer badet und plötzlich von unsäglichem Schrecken heimgesucht wird.
Mit der Zeit würden die Beulen und Kratzer verschwinden, und Tyler hoffte, dass die Bisswunden und Krallenspuren keine bleibenden Narben hinterlassen würden. Was für ein Jammer bei einem so hübschen Mädchen.
Die Wunden waren nicht besonders tief, als hätte die Bestie sie nur festhalten, nicht aber töten wollen. Wenn sie Glück hatte, würde nichts davon zurückbleiben.
Nora ging in die Hocke und seifte Janices Beine ein.
»Abe hat mir einen Verbandskasten gegeben«, sagte Tyler. »Und sobald er wieder da ist, werden wir dich ins Krankenhaus bringen.«
Nora sah auf. »Wo sind sie hin?«
»Zurück zum Haus der Kutchs.«
Janice wirbelte den Kopf herum und starrte Tyler über die Schulter hinweg an.
»Jack und Hardy begleiten ihn. Sie wollen sich dort mit der Polizei treffen.«
»Scheiße«, sagte Nora.
Janice runzelte die Stirn. Ihre Augen wirkten sehr wachsam. »Die Polizei? Sie gehen rein?«
»Ich denke schon.«
Das Mädchen stieß sich von der Wand ab und trat aus dem Wasserstrahl. Nora ließ die Seife fallen und stand auf. »Was …?«
»Ich muss da hin.« Sie beugte sich vor und rieb sich die Seife von den Rückseiten ihrer Schenkel.
»Du solltest besser bei uns bleiben«, sagte Nora. »Du bist ja gar nicht in der Verfassung, um …«
»Ich muss dabei sein.«
Tyler packte ihren feuchten Arm, als Janice über den Rand der Wanne kletterte.
»Geht schon.«
Das Mädchen schien sich ohne Hilfe auf den Beinen halten zu können. Tyler ließ sie los und reichte ihr ein Handtuch, mit dem sich Janice hastig das Haar trocknete.
»Die Polizei wird das schon machen«, sagte Nora. »Du musst dich ins Bett legen und ausruhen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Hier geht’s um meine Eltern. Um mich. Ich muss dabei sein.«
Nora stellte das Wasser ab. »Du hast keine Klamotten
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