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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Ähnlichkeit Sandy gegenüber nicht zu erwähnen.
    »Was hat Tante Karen gesagt?«, fragte Sandy.
    »Ich soll dir einen schönen Gruß ausrichten.«
    »Wolltet ihr heute nicht Tennis spielen?«
    »Ja.«
    »Ich wette, sie war überrascht.«
    »Sie hat es schon verstanden.«
    Als sie die Straße erreicht hatten, deutete Donna nach links. »Da geht’s in die Stadt«, sagte sie. Sie machten sich auf den Weg. »Ich glaube, Tante Karen hat noch nie von Malcasa Point gehört. Dabei ist es doch eigentlich ganz nett hier, findest du nicht?«
    Sandy nickte. Die Sonnenbrille rutschte ihre Nase hinunter, und sie rückte sie mit dem Zeigefinger wieder zurecht. »Nett ja, aber…«
    »Was?«
    »Ach, nichts.«
    »Nein, sag’s mir. Was ist los?«
    »Wieso hast du es Tante Karen erzählt?«
    »Was erzählt?«
    »Wo wir sind.«
    »Ich dachte, sie sollte es wissen.«
    »Ach so.« Sandy nickte und rückte die Brille erneut zurecht.
    »Wieso fragst du?« »Glaubst du, dass das eine gute Idee war? Ihr es zu erzählen? Jetzt weiß sie, wo wir sind.«
    »Sie wird es niemandem verraten.«
    »Außer er zwingt sie dazu.«
    Sie traten an den Straßenrand, um ein Auto vorbeifahren zu lassen.
    »Was meinst du damit, ›er zwingt sie dazu‹?«
    »Naja, macht, dass sie es ihm erzählt. Genau wie er es mit dir gemacht hat.«
    Donna ging schweigend weiter und hatte jede Freude an der kühlen, nach Pinien duftenden Morgenluft verloren. Sie stellte sich vor, wie ihre Schwester nackt ans Bett gefesselt war. Roy saß daneben und erhitzte mit einem Feuerzeug die Spitze eines Schraubenziehers.
    »Aber du hast doch gar nicht mitbekommen, was er mit mir gemacht hat, oder? Er hat immer die Tür abgesperrt.«
    »Oh, das hab ich nicht gesehen. Nicht, was er im Schlafzimmer gemacht hat. Nur, wenn er dich geschlagen hat. Was hat er denn im Schlafzimmer mit dir gemacht?«
    »Er hat mir weh getan.«
    »Das muss ja schrecklich gewesen sein.«
    »Ja.«
    »Wie hat er dir weh getan?«
    »Auf alle möglichen Arten.«
    »Und das macht er jetzt auch mit Tante Karen.«
    »Das wagt er nicht«, sagte Donna. »Das wagt er nicht.«
    »Wann fahren wir weiter?«, fragte das Mädchen ängstlich.
    »Sobald das Auto repariert ist.«
    »Und wann ist das?«
    »Weiß ich nicht. Axel ist heute Morgen mit einem Mann von der Werkstatt rausgefahren. Wenn es keine größere Sache ist, können wir sofort weiterfahren.«
    »Das wäre gut«, sagte Sandy. »Wir sollten besser ganz schnell von hier verschwinden.«

    2

    Sie beschlossen, gegenüber der Werkstatt in Sarahs Diner zu frühstücken. Sandy beäugte die Auswahl an Donuts in der Kuchentheke und entschied sich dagegen. Stattdessen bestellte sie Eier mit Speck.
    »Hier ist es eklig«, sagte sie.
    »Dann essen wir in Zukunft nicht mehr hier.«
    »Ha, ha.«
    Sandy steckte eine Hand unter den Tisch und verzog angewidert die Nase. »Da klebt ja Kaugummi unter dem Tisch.«
    »Unter jedem Tisch ist Kaugummi. Nur sind manche Menschen so schlau, ihn nicht anzufassen.«
    Sandy schnupperte an ihren Fingern. »Eklig.«
    »Dann geh und wasch dir die Hände.«
    »Das Klo ist bestimmt die Hölle«, sagte sie und stand auf, um diese Theorie schnell zu überprüfen.
    Lächelnd beobachtete Donna, wie ihre Tochter selbstbewusst durch das Restaurant marschierte. Die Kellnerin schenkte Donna Kaffee in die große, angeschlagene Tasse nach.
    »Vielen Dank.«
    »Jederzeit, Schätzchen.«
    Ihr Blick folgte der Kellnerin bis zur Tür, die sich in diesem Augenblick öffnete.
    Zwei Männer betraten das Lokal. Einer war ziemlich ausgemergelt und wirkte viel zu jung für sein schlohweißes Haar. Obwohl er einen ordentlichen blauen Anzug trug, machte er einen gehetzten Eindruck, wie ein Sträfling auf der Flucht. Der Mann in seiner Begleitung hätte als sein Aufseher durchgehen können. Tiefblaue Augen lagen in einem Gesicht, das an geschnitztes, blankpoliertes Holz erinnerte. Er strahlte das Selbstbewusstsein eines Cops oder Soldaten aus. Genau wie der Führer, der vor vielen Jahren ihren Vater, Karen und sie selbst bei einem Jagdausflug begleitet hatte.
    Die beiden Männer setzten sich an die Theke. Der Stämmigere hatte braunes, sauber geschnittenes Haar, das bis zum Kragen reichte. Sein breiter Rücken füllte das beige Hemd völlig aus, und ein nagelneu wirkender schwarzer Gürtel steckte in einer Jeans, die bereits so abgetragen war, dass eine Gürtelschlaufe abgerissen war und über der rechten Gesäßtasche baumelte. Seine Wanderstiefel schienen noch

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