Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
herum. Scheiße, wenn du keine Lust auf diesen Kongress hast, hättest du zu Hause bleiben sollen.«
    »Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung, dass es so schlimm kommen würde.«
    »Wen hast du erwartet, Siegfried und Roy? Solche Kongresse sind immer stinklangweilig. Was willst du von einem Haufen Bücherwürmer erwarten?«
    »Den Kongress habe ich nicht gemeint.«
    »Was dann?«
    »Die Stadt.«
    »Was ist damit? Sie ist wundervoll.«
    »Ich weiß.«
    »Bist du sauer, weil die Cablecar nicht fährt?«
    »Ja, genau.« Tyler versuchte zu lächeln. Ohne Erfolg.
    »Sag schon, was ist los mit dir? Spucks aus.«
    »Ich fühle mich einfach beschissen, das ist alles.«
    »Wie beschissen?«
    »Beschissen einsam.« Tyler wandte sich von Nora ab und starrte
    auf die Kerze vor sich. Die Flamme verschwamm, als Tränen in ihre Augen schössen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und nahm noch einen Schluck von ihrem Sahnelikör. »Diese verdammte Stadt«, sagte sie. »Ich dachte, ich wäre drüber weg, aber … überall wo ich hingehe, alles, was ich sehe, erinnert mich an ihn.«
    »An einen Verflossenen?«
    Tyler nickte. »Einmal hat er mich sogar hierher ins Hyatt ausgeführt, um mir die rotierende Bar zu zeigen. Wir haben Margaritas getrunken. Dann sind wir nach North Beach in den Buchladen, den ich dir gestern gezeigt habe.«
    »Wann war das?«
    »Vor ungefähr fünf Jahren. Da habe ich noch an der Uni hier studiert. Dan, so hieß er. Dan Jenson. Er war aus Mill Valley in Marin County. Ich hab ihn auf dem Dipsey-Wanderweg getroffen.«
    »Was ist denn der Dipsey-Wanderweg?«
    »Er führt von Mill Valey über die Hügel um Mount Tarn bis nach Stinson Beach. Jedenfalls sind wir uns begegnet, als ich gerade auf einer Wandertour mit meiner damaligen Zimmergenossin war. Er trainierte damals für den jährlichen Marathon …«
    »Und es war Liebe auf den ersten Blick?«
    »Er ist direkt in mich reingelaufen«, sagte Tyler. Bei der Erinnerung daran erschien ein Lächeln auf ihren Lippen. »Und dafür habe ich ihn wüst beschimpft. Nein, es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick - fünf, sechs Minuten hat es schon gedauert.«
    »Und, beruhte es auf Gegenseitigkeit?«
    »Ich denke ja.«
    »Und was ist… Oh, nein.« Nora wirkte mit einem Mal betroffen. »Ist er gestorben?«
    »Nein. Ich ging nach Los Angeles, um meinen Doktor zu machen, und er hatte seinen Job in Mill Valley. Ich wollte meine Ausbildung nicht abbrechen, und er wollte seinen Arbeitsplatz nicht aufgeben. So einfach war das.«
    »Mann, das kann ich einfach nicht glauben. Ihr habt eure Beziehung einfach so weggeworfen?«
    »Wir wollten beide Karriere machen. Ich hab ihm gesagt, dass er überall als Polizist arbeiten könnte, aber … er war ziemlich stur. Und ich genauso.«
    »Und das war’s dann?«
    »Ich habe ihm einen Brief geschrieben, den er nie … So wie er es aufgefasst hat, war ich an allem Schuld. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich alles stehen und liegen lassen und ihn heiraten sollen.«
    »Oh Gott, er hat dir einen Antrag gemacht?«
    »Genau.«
    »Mann.«
    »Und weißt du was?«
    »Was?«
    »Ich bin jetzt sechsundzwanzig, habe einen Job, für den die Hälfte der Leute auf diesem Kongress töten würden, und trotzdem denke ich, dass es der größte Fehler meines Lebens war, Dan zu verlassen.«
    »Ist dir diese Erkenntnis gerade erst gekommen?«
    »Diese Erkenntnis habe ich schon lange, aber ich dachte, ich würde einfach jemand anderen kennen lernen.«
    »Hast du aber nicht.«
    »Jedenfalls habe ich mich nicht verliebt.«
    »Und was wirst du jetzt tun?«
    »Was kann ich schon tun? Ich habe meine Wahl bereits vor fünf Jahren getroffen. Jetzt muss ich damit leben.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Tja, da wäre immer noch die Golden Gate Bridge. Sie ist ganz in der Nähe.«
    »Darüber solltest du keine Scherze machen«, sagte Nora.
    »Manchmal… ach Scheiße«, murmelte sie und brach erneut in Tränen aus. »Manchmal denke ich … dass ich mein Leben weggeworfen habe.« »Hey, hey.« Nora griff über den Tisch und nahm ihre Hand. »Das ist doch kein Weltuntergang. Hör dir meinen Vorschlag an: Wenn du immer noch so viel für ihn empfindest, warum gibst du ihm nicht eine zweite Chance? Mill Valley ist doch hier ganz in der Nähe, oder nicht?«
    Tyler zuckte mit den Achseln und schniefte. »Weiß nicht, vielleicht eine halbe Stunde oder so.«
    »Dann fahr gleich morgen los und such ihn.«
    »Das geht nicht.«
    »Warum nicht, verdammt

Weitere Kostenlose Bücher