Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
totale Chaos. Als die Wogen sich geglättet hatten, war Albinus tot. Keiner der Legionäre hätte sagen können, wie es zu dem Mord g e kommen war, noch wer den L e gaten letztlich ermordet hatte. Alle standen fassungslos vor der Tat und wu s sten, dass die Folgen für sie grausam werden würden.
Lucius wanderte in seinem Zelt auf und ab. Man hatte ihm die Nachricht zusammen mit der Leiche des U n glücklichen überbracht und erwartete seine Anweisung, wie das Verbr e chen bestraft werden sollte. Er wusste, was von ihm verlangt wurde. Was geschehen war, war Hochverrat und Meuterei. Die Gesetze Roms ließen ihm hier keinen Spielraum. Jeder zehnte Mann aus den sechs Hu n dertschaften würde hingerichtet werden müssen. Damit verlor er nicht nur ein Zehntel erstklassiger Leg i onäre, so n dern auch das Vertrauen und die Liebe der restlichen Männer. In den betroffenen Einheiten ge n auso wie in der ganzen übrigen Legion. Er verwü n schte den unglücklichen Albinus, der nichts als Scherereien g e macht hatte und ihm jetzt noch im Tod einen solchen Klotz zwischen die Beine warf. Lucius’ Haut war an den Armen und an der Brust blutig gekratzt, doch er konnte den Juckreiz nicht loswerden, der ihn bis hierher begleitet hatte. Aus einer Schüssel, die immer für ihn bereitstand, schaufelte er kaltes Wasser auf seine Haut.
Er versuchte sich abzulenken und an etwas anderes zu denken. Bis morgen hatte er Zeit, und die Nacht wollte er sich nicht mit diesen unangenehmen Gedanken qu ä len. Er versuchte es mit den Erinnerungen an seine ne u geborenen Kinder, doch das heiterte ihn jetzt nicht auf. Auch der Gedanke an Metr o bius lenkte ihn nur kurz ab. Wie von selbst stahl sich das Bild des Barbaren in sein Gedächtnis. Agnar - in seinen Gedanken klang der Name ganz gut, auch wenn er ihn noch nie laut au s gesprochen hatte. Der Laute waren dem geheimen Namen des fre m den Gottes ähnlich in ihrer Ungeschlac h theit und Fremdartigkeit. Diesen Namen hatte Lucius schon ausg e sprochen. Mehrfach bereits, und sein Ve r stand, der sonst so analytisch und klar arbeitete, vertraute inzwischen mit abergläubischer Har t näckigkeit auf die Zauberkraft des Rituals, das der Barbar ihm in der R e gennacht verraten hatte. Er würde in keine Schlacht mehr ziehen, ohne zuvor eine Lanze in die Reihen der Gegner geschleudert zu haben und den Namen aus sich herau s strömen zu lassen. Das Wort formte sich wie von selbst in seinem Mund, und er sprach es mit der Stimme de s sen, der ihm den Namen genannt hatte. Auch jetzt wieder konnte er dessen leichte, körperlose Tonlage geradezu hören. Luc i us setzte sich in seinen Sessel an einen Tisch, auf dem mit Sand und Steinchen eine Schlachtaufstellung nachg e baut war. Er lauschte der Stimme hinterher und begann in Gedanken einen Dialog mit ihr.
„Was hättet ihr Barbaren in solch einer Situation g e macht? Die Ordnung ist auf den Kopf gestellt, die Di s ziplin muss wiederhergestellt werden. Doch um welchen Preis? Wenn ich den Gesetzen Roms gehorcht habe, so ist alles dahin, was ich jemals für die Männer war. Ich weiß, dass der ganze Vorfall ein U n fall war, dass dieser unsägliche Albinus das Seine dazu beigetragen hat.“
Lucius empfand die Stimme nun so klar, als stünde der Sprecher neben ihm. Er konnte noch nicht einmal unte r scheiden, ob er die Stimme in seinem Kopf oder vie l mehr an seinem Ohr hörte, so dicht und eindringlich klang sie aus seinem Inneren.
„Was willst du für dein Volk tun? Willst du deine Krieger bestrafen wie Sklaven, um ein paar alte Männer zufrieden zustellen? Oder willst du die aufständischen Stämme besiegen und die Bedrohung des ganzen Staates abwe n den?“
„Das verstehst du nicht! Wenn ich auf eine Bestr a fung verzichte, ist die Ordnung der Republik in G e fahr. Die Gesetze müssen eingehalten werden.“
„Wen interessieren hier die Gesetze? Du bist hier der Herrscher. Du und deine Krieger h a ben eine Aufgabe. Wenn deine Männer dir nicht vertrauen, geht ihr alle gemeinsam u n ter.“
„Der Senat wird mir nicht verzeihen, wenn ich mich über das Gesetz stelle!“
„Dein Thing wird dir alles verzeihen wenn du E r folg hast. Wenn du unterliegst, wird es auch keinen Senat mehr geben.“
Die Stimme entfernte sich aus seinem Bewusstsein. Luc i us rieb sich das Gesicht. Er, ein Spross einer der ältesten Familien dieser Republik, stolzer Verfechter der Dem o kratie, hatte solche Gedanken zugela s sen. Er schämte sich vor sich selbst, doch
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