Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
er, seinen durchtrai n ierten Körper mit der prächtigsten Feldherrnuniform bekleidet, ein kühles Lächeln um den aristokratischen Mund, und genoss das Schwanken seiner Besucher zwischen Angst und Verlegenheit.
Lucius hatte seine Legionäre über die ganze Stadt verteilt. Sie sahen genug, hörten vieles und schritten nie ein. Während L u cius sich seinen Aufgaben widmete, verfiel die Stadt in G e setzlosigkeit. Als die Römer erkannten, dass die Stunde des Marius vorüber war, dass den Opt i maten der Sieg zugefallen war, begannen sie, die Häuser der Marianer zu belagern. Wenn bekannte Anhänger des Marius ihre Villen verließen, wurden sie beschimpft und bespuckt. Niemand kam, um sie zu schützen. Angesichts der Passivität der W a chen war das Risiko für den Pöbel gering. Die Me n schen, die zur Zielscheibe des Zorns wurden, wagten nicht aufzubegehren, sondern duckten sich und ve r mieden es, ihre Häuser zu verlassen.
Lucius hielt sich zurückgezogen. Er wusste, dass die Phantasie der Menschen ihn größer und strahlender m a chen würde, als er es in Wahrheit je sein konnte. So ve r ließ er sein Haus nur ab und an. Hoch zu Roß, u m geben von einer Gruppe Legionäre, ritt er dann durch Gassen, die wie erfüllt waren von ehrfürcht i ger Stille. Meist aber ließ er sich bringen, was er an Unterlagen und Schriftst ü cke benötigte, und arbeitete nächtelang in der Ei n samkeit seines Zimmers, um am nächsten Morgen seine Berichte und Verordnungen an Boten weiterzugeben. Er verzic h tete auf Ratgeber und Informanten ebenso wie auf gese l ligen Umgang. Seine einzigen Kontakte zu seiner Umwelt bestanden in regelmäßigen Besprechungen mit seinen Offizieren. Obwohl er fast übermäßig viel a r beitete, Schriftstücke ei n sah und Protokolle aus der Zeit seiner Abwesenheit las, waren viele seiner Entscheidungen w e niger die Frucht reiflicher Überlegungen als vielmehr Eingebungen seiner Intuition, von dem, was er als seine innere Stimme empfand. Seine Erfahrung hatte ihn oft darin bestätigt, dass er damit sicherer und erfo l greicher war, als mit allen wohlüberlegten Planungen.
Doch die innere Stimme, die ihn lenkte und leitete, war schwach geworden. Anfangs, als er sie die ersten Male so deu t lich, so unüberhörbar an seinem Ohr oder im Innern seines Kopfes oder noch vielmehr im Innern seiner G e danken gehört hatte, hatte er beinahe an seinem Ve r stand gezweifelt. Sie hatte in der leisen, fast schwebenden To n lage Agnars zu ihm gesprochen. So beunruhigend er es zunächst empfunden hatte, so bestürzend empfand er es seit einiger Zeit, dass die Stimme sich offensichtlich von ihm entfernte. Noch b e unruhignder war der Gedanke, dass das Verdämmern der Stimme mit dem Verlust des Sprechenden einhe r gehen könnte. Womöglich wollte Agnar Rom verlassen. Lucius wurde nervös. Diese Mö g lichkeit hatte er noch nie in Betracht gezogen. Irgendwie hatte er sich darauf verlassen, dass Agnar in Rom bleiben würde, dass er da sein würde, wann immer er selbst von seinen Feldzügen zurückk e hrte. Doch nun erschien im dies plötzlich nicht mehr so sicher. Agnar war aus den dun k len Ländern des Nordens gekommen. Was, wenn er dorthin zurückgekehrt wäre? Zurück in seine Heimat, wo er für immer aus Lucius’ Blickfeld verschwunden wäre. Sie hatten sich so lange nicht gesehen. Zuletzt bei der abenteuerlichen Flucht aus der Stadt. Lucius lächelte. Im Nachhinein empfand L u cius diesen waghalsigen Streich als grandioses Abenteuer und bedauerte, dass er der Sit u ation damals nicht als das Vergnügen hatte empfinden kö n nen, als das er es heute ansah. Der Wahnsinnsritt auf dem alten Klepper, der überfallene Gutsbesitzer, ihr A b schied in der Morgendämmerung. Agnars ungewöhnliche Art, die Dinge zu sehen, seine Ratschläge, so ungewöh n lich, und doch die einzig richtige Entscheidung vorwe g ne h mend. Lucius spürte wieder den morgendlichen Wind, der vom Meer her geweht war und spürte ihre Uma r mung. Ein Schauer überlief ihn. Er konnte nicht mehr länger warten, er würde jetzt sofort nach ihm sch i cken. Was, wenn Agnar jetzt noch in der Stadt war, aber sich vielleicht genau in dieser Stunde zum Aufbruch en t schloss, wenn er in nur um wenige Tage verfehlte? Er griff nach der Glocke auf seinem Schreibtisch, um nach den Wachen zu läuten.
„Bringt mir den Freigelassenen, der unter dem Namen Flavus bekannt ist. Er lebt im Haus der verstorbenen Cynara am Fuße des Aventin.“
Als die Männer
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