Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
Haushalt am Rande der Hauptstadt, in dem ein Knabe wohne, der ihm geradezu unheimlich ähnlich s e he. Die Hausherrin lebe allein und sehr zurückgezogen und hätte den Knaben an Kindesstatt angenommen. Er hatte eine Weile gezögert, doch als er in dem Haus vo r gesprochen und man den Knaben geholt hatte, waren alle über die sprechende Ähnlichkeit außer sich gewesen. Nach ein i gem hin und her war die Herkunft des Kindes geklärt, das die Hausherrin vor Jahren als halbverhunge r ten Säugling von einem L e gionär gekauft hatte. Die alte Dame konnte sich nicht vor der Einsicht verschließen, dass sie hier den Vater des Knaben vor sich hatte. Sie konnte sich aller d ings genauso wenig von dem Kind trennen, und so war schnell au s gemacht, dass sie mit auf das Gut ziehen würde. Sie war eine resolute Person, die gerne ihren Willen durchsetzte, doch zu dem Kind war sie immer milde und liebevoll gew e sen. Der Knabe hing an ihr wie an einer Mutter. Agnar mu s ste wieder lächeln, wenn er daran dachte, wie schnell die alte Dame das Ziel für ihre scharfe Zunge ausgemacht hatte. Er war sehr froh über ihre Anwesenheit, denn so sehr er den Phil o sophen auch schätzte, eine kleine Unsicherheit blieb in ihm. So aber konnte er den Knaben, der sich noch dazu zu einer Schönheit entwickelte, unbesorgt dem alten Hauslehrer zur Ausbildung anvertrauen, denn er wusste, dass die scharfen Augen der alten Dame nie weit waren. Er und seine Frau amüsierten sich r e gelmäßig über diese Konstellation, die dem Griechen auf seine alten Tage noch ein wahres Hauskreuz verschafft hatte. Der trug es glückl i cherweise mit Fassung und einer guten Portion Selbstir o nie.
Die Konturen der Dinge traten langsam etwas schärfer hervor, bald würde die Morgendä m merung heraufziehen.
Je weiter sich seine Umgebung aufhellte, umso müder fühlte er sich plötzlich. Müde und zerschl a gen. Er konnte die Atemzüge neben sich nicht mehr hören und auch das Gezwitscher der kleinen Vögel verblasste. Das Rauschen der Brandung war das einzige Geräusch, das noch zu hören war. Ein stechender Geruch riss ihn aus seinem Halbschlaf. Der Traum zerstob. Er hatte keine Frau mehr und keinen Sohn, und er würde auch nie eine Tochter haben. Er würde nie mehr über philosophische Weisheiten diskutieren und auch nie mehr über harmlose Scherze lachen.
Das Meer vor ihm war noch immer nur vom verblasse n den Mond beleuchtet, der es in einem tiefen, fast schwärzlichen Blau e r scheinen ließ. Die Felsen, an die er sich gelehnt hatte, stachen mit ihren scharfen Ka n ten in seinen Rücken. Seine Beine und die Füße schmerzten vom mehrtägigen Gewal t marsch.
Langsam erhellte die Dämmerung von Osten her den Horizont, das Blau des Meeres vertiefte sich. Agnar ric h tete sich etwas auf und griff nach dem ersten der beiden Raben, die er bis hierher geschleppt hatte. Der Körper fühlte sich unter den zerschlissenen Federn zu weich, fast gallertartig an.
Er holte aus. Mit einem letzten Rest Hoffnung warf den Kadaver in hohem Bogen die Klippe hinunter. Der Fall blähte das stumpfe G e fieder, und für einen Moment sah es so aus, als breite der Vogel die Flügel aus und flöge davon. Doch der Körper übe r schlug sich wieder, und mit einem ganz kleinen weißen Aufspritzen des Wassers schlug er auf die Oberfläche des Meeres auf. Die Wellen schaukelten den toten Raben langsam zurück ans Ufer; er war nur als winziger Punkt von hier oben erkennbar, und langsam verschwand er in den Strudeln um die Klippen. Agnar warf den anderen Kadaver ins Wa s ser und machte sich nicht mehr die Mühe, hinterher zu sehen.
Jetzt würde er noch warten, bis die Sonne das Meer zu jenem leuchtenden Blau e r hellte, das ihm vom ersten Morgen an voller Geheimnisse und Verspr e chungen erschienen war. Er war endlich am Ziel seiner Reise a n gekommen, und er wusste, dass er sich sein ganzes verl o renes Leben lang genau nach diesem Ort gesehnt hatte. Als die So n nenstrahlen über den Rand der Klippe traten, stand er auf, zog er sich das Gewand über den Kopf und spürte für einen Moment die Wärme auf seiner Haut. Dann breitete er die Arme aus und ließ sich fallen.
24. Kapitel
Der Sieg der Monster
Seit mehreren Tagen war Lucius von einer fiebrigen U n ruhe umgetrieben worden. Diese Nervosität war weit entfernt von seiner bisherigen unermüdlichen Schaffen s kraft und dem Rachedurst, der ihn seit der E r oberung der Hauptstadt beflügelt hatte. Es war eine fahrige hekt i
Weitere Kostenlose Bücher