Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
schweren Helm mit den schmalen Sehschlitzen über den Kopf gestülpt hatten, begann Urbicus mit dem Training. Er hob das Schwert und startete eine A t tacke auf den unbedeckten Arm seines Gegenübers. Er war die Geschwindi g keit des Gegenangriffs inzwischen gewohnt und hütete sich, mit allzu viel Wucht zuzuschlagen, um den Aufprall der Wa f fen weniger heftig und schmerzhaft zu machen. Die s mal jedoch konnte er gerade noch schnell genug seinen Schwung abmildern bevor sein Schwert den Oberarm des Idioten treffen konnte. Die Reaktion war ausgebli e ben. Er versuchte es noch mal, der Barbar stand wie eine Säule in der Mitte des Hofes und nahm keine Notiz von seinem Gegner. Urbicus ve r suchte es immer wieder und sparte weder an aufmu n ternden Zurufen noch an Beschim p fungen, doch ohne eine Reaktion zu erzielen. Jähzornig warf er irgendwann seine Waffe in den Sand und befahl den Wachen den Mann wegzubringen bevor er ihn eigenhändig umbringen konnte. Die Wächter wol l ten ihn so verstanden haben, dass der Barbar b e straft werden sollte und steckten ihn umgehend ins Loch. U r bicus war bitter enttäuscht über diesen Rückschlag. Er konnte sich überhaupt nicht erkl ä ren, wieso jetzt auf einmal keine Reaktion mehr zu pr o vozieren war. Er ve r suchte es an den folgenden Tagen wieder, doch immer mit dem gleichen Ergebnis, nämlich gar keinem. Resigniert nahm er A b schied von seinem Vorhaben, den Mann zum Pr o vocator auszubilden und versuchte es doch mit der Ausrüstung eines Thraecers. Doch auch das brachte die Sache nicht weiter. Es war, als liefe man gegen eine Wand. Versuche mit allen mögl i chen Ausrü s tungen schlugen fehl. Nach ein paar Tagen befahl er, den Mann auszuziehen um ihn vor den Augen seiner Mithäftlinge zu verprügeln. Der Idiot ließ sich lammfromm die Rüstung abnehmen und stand unbete i ligt wie üblich in der Mitte des Hofes. Der Wachmann hob den Arm um den langen Stock auf den Oberkö r per des Mannes herabsausen zu lassen, als der Idiot sich wie ein Raubtier auf ihn stürzte und den Prügel mit beiden Händen zu fassen bekam. Alle Wachen sprangen dazu, und gemeinsam gelang es ihnen, den Mann zu überwält i gen. Erst jetzt dachte man daran, den Delinquenten zu fesseln, bevor man in der Bestrafung weitermachte und ihn als Dr e ingabe ins Loch steckte.
Urbicus aber war über den Vorfall geradezu entzückt, denn ihm war endlich ein Licht aufgega n gen, was hinter dem seltsamen Verhalten seines Schützlings stand. I r gendetwas war offensichtlich mit seiner Wahrnehmung nicht in Ordnung und der Helm musste ihn in seiner Sicht noch stärker b e hindert haben, als er das schon bei den anderen Kämpfern tat. Er hatte durch die Sehschli t ze die Angriffe ganz einfach nicht sehen kö n nen, denn kaum war er ohne den hinderlichen Helm auf dem Kopf angegriffen worden, war die Reaktion e r freulich prompt wie eh und je gewesen.
Die Konsequenz war klar, denn es gab nur eine Käm p fergattung, die ohne Helm auftrat, und diese war erst vor relativ kurzer Zeit in Pompejianischen Schulen entwickelt worden. Die Ausbilder dort hatten sich von den sizilian i schen Fischern inspirieren lassen, die mit Netz und Dre i zack die riesigen Thunfische aus dem Meer holten. Ein blutiges und gefährliches Geschäft, das tatsächlich Äh n lichkeit mit Zweikämpfen unter menschl i chen Gegnern hatte. Da die Wurzeln dieses Ausrüstungstyps in einem friedlichen Beruf lagen, hatte der Retarius weder Helm noch Schild. Man hatte seine Ausrü s tung lediglich durch einen Panzer am linken Arm mit einem hochragenden Kragen über der linken Schu l ter vervollständigt, da man nach den ersten Kämpfen ges e hen hatte, dass hier die verwundbarste Stelle des Retarius war. Bei den konserv a tiven Kennern stieß dieser Typ a l lerdings noch auf starke Ablehnung, da man ihn für zu malerisch und nicht wir k lich sportlich hielt. Schwert und Schild waren das, was ein echter Liebhaber der Spiele als Bewaf f nung sehen wollte, alles andere war Weiberkram. Bei den Damen allerdings war der Retarius in seiner B e liebtheit schnell ganz oben angelangt, vor allem, weil die Kämpfer bis auf den Lendenschurz nackt waren.
Es würde schwierig werden, Audatus dazu zu bri n gen eine Ausbildung zum Retarius zu genehmigen, da Aud a tus zu den konserv a tivsten Verfechtern der alten Schule zählte. Außerdem verfolgte er den Aufstieg der Pompej i anischen Stile geradezu mit Hass, immerhin hatten sich in den letzten Jahren zu den schärfsten
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