Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
probiert, aber das war einfach nicht dasselbe. Wenn sie von Spielen in Pompeji oder Baiae erfuhr, e r fand sie Ei n ladungen oder täuschte Gebrechen vor, die durch ein Bad kuriert werden müssten. So schaffte sie es immerhin, bis zu fünfmal im Jahr ihre Sucht zu befried i gen. Die Zeit da z wischen verbrachte sie in Tagträumen, in denen sie immer wieder die Kämpfe, das Blut und die stoische Haltung der U n terlegenen erlebte.
Die Leidenschaft ihrer Freundinnen schien ihr nun obe r flächlich und am Kern der Sache vorbeigehend. Sie hie l ten sich am Aussehen der Kämpfer, an der Ausstattung und ähnlichen Unwichtigkeiten auf. Neäras Leide n schaft ging tiefer. Blut und Tod schienen ihr eine Metapher für Größe und Ewigkeit. Nie hätte sie diese heiligen Geda n ken durch so banale Schwärmereien entwürdigt wie die anderen, die sich zum Teil sogar schon in die Kasernen hatten einschleusen lassen, um sich den Mä n nern der Arena hinzugeben. Ein für sie völlig abwegiger Gedanke, die Sache an sich war ihr ohnehin zuwider und die Mä n ner als Männer zu sehen schien ihr eine Entwe i hung. In ihren Augen waren sie Opfer und anbetun g swürdige Helden zugleich. Versteinert und von der A n wesenheit höherer Gedanken überwältigt, saß sie würd e voll wie eine Göttin auf ihrem Platz auf den höchsten Rängen und verfolgte mit weitem Blick das Geschehen. Sie stellte sich vor, dass ihre Entscheidung den Kämpfern Leben oder Tod brächten. Ein entrüc k tes Lächeln spielte um ihre Lippen wenn die Entscheidung gefallen war und der Dolch sich in das Rückenmark des Unterlegenen senkte. Tr i umphierend reckte sie das Kinn, und wenn sie sich erhob, hüllte sie sich mit einer unnachahmlich würdevo l len Geste in ihre Stola und schritt, den Kopf voll erhab e ner Gedanken nach Hause.
Eine Obsession keimte in ihr und nahm G e stalt an. Sie, Neära, war eine Hohepriesterin des Helde n tums, die ihrem Tempel ein Opfer schuldig war. Eine heilige Han d lung, die sie für immer auf eine höhere Ebene des Daseins heben würde.
Zielstrebig begann sie ihre Vorarbeiten. Sehr wichtig war es, ein geeignetes Opfer ausz u wählen, wobei von Anfang an klar war, dass es sich nur um einen der Allerbesten handeln konnte. Ihre Wahl fiel zunächst auf einen meh r fach ausgezeichneten Kämpfer, der jedoch du m merweise während der nächsten Spiele vom Publikum freigelassen wurde. Ein anderer, der in Frage gekommen war, unte r lag in einem Kampf und war damit für ihre Zwecke u n brauchbar geworden. Das Projekt kam ins Stocken. Schließlich war ihre Wahl gefallen. Zwar fand sie die Ausstattung als Retarius etwas albern und nicht ganz würd e voll genug. Die Tatsache, dass er keinen Helm trug, nahm ihm ein wenig von seiner Allgem e ingültigkeit, aber seine ungewöhnlich helle Haut würde einen reizvo l len Hintergrund a b geben. Sie wollte ihn frisch aus der Arena, um den Geruch und die Verletzu n gen, den Staub und das Blut unverfälscht erleben zu können.
Alles Weitere konnte sie getrost ihrer persönlichen Skl a vin überlassen, die sich nach dem zuständigen Wächter und den gängigen Tarifen erkundigte. Die Sklavin ha n delte geschickt um einen niedrigen Preis, damit einen gewisser Aufschlag für sie selbst dabei übrig blieb, aber schließlich wurde sie mit den Wächtern doch einig und bestimmte ein D a tum, an dem das Treffen stattfinden sollte.
Es war das dritte Jahr seiner Gefangenschaft und sein sechster Auftritt. Andere hatten in derselben Zeit weitaus mehr Kämpfe bestri t ten, doch seine Startschwierigkeiten hatten dafür gesorgt, dass er noch immer relativ neu war. Was er nicht wusste, war, dass er inzwischen trotzdem eine enorme Popularität erlangt hatte. Er war nicht nur bei den Kennern angesehen, die seine Reaktionsschne l ligkeit und seine konzentrierte Art zu kämpfen liebten, sondern auch bei denen, die auf das Erschei n ungsbild und die Au s strahlung Wert legten. Seine Größe und seine helle Hautfarbe brachten ihm auch einige Bewunderi n nen ein, er galt als e x otischer Außenseiter. Die Tatsache, dass er einer der schrecklichen Barbarenkrieger gewesen war, erhöhte sein Ansehen inzwischen eher, und nicht wenige der altgedienten Legionäre waren stolz, ihre F a milien zu einem seiner Kämpfe einzuladen um ihnen eine Vorstellung von den überstandenen G e fahren vermitteln zu können. Er selbst fand es i m mer schwieriger, sich von seiner Umwelt abzuso n dern, denn zu vieles kehrte immer wieder, schliff
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