Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
ging der Di e ner mit einem kleinen Körbchen durch die Gesellschaft, um Spenden einz u sammeln.
Agnar schwindelte, nur mühsam konnte er eine Erwid e rung auf die Glückwünsche fi n den. Er stand kurz davor, die Besinnung zu verlieren. Der kleine Tropfen, der se i nen Arm getroffen hatte, hatte sein Inneres aufge r issen und die Schleier zerstört, die er um seine Eri n nerungen gelegt hatte. Auf seinem Arm war der Tropfen zu einem breiten Streifen g e worden, in seiner Seele zu einem Meer von Blut. Dieses blutige Meer rauschte in schweren Br e chern gegen die kleine Insel. Unter den roten Sprühn e beln der Gischt rec k ten sich die harten Gräser anklagend zum Himmel. Die Asche der Hütte entfachte sich unter dem Sturm zu heller Glut, so dass er fürchtete, dass e r neut Gestalten und G e sichter der längst Verstorbenen aus ihr au f steigen könnten. Was hatte er getan? Odin hatte ihm die Möglichkeit gegeben seine Schuld abzuw a schen, indem er Rache nahm für sein Volk. Odin hatte ihn nicht vergessen, obwohl er von Schande gezeichnet war. Doch er hatte erneut Schmach auf sich geladen. Er hatte seinen Auftrag vergessen und war im Begriff d a vonzulaufen. Wie wäre es möglich vor dem Unheil zu fliehen, das er in seiner Seele trug und das ihn von innen erstickte? Das ihm die Kehle zuschnürte und ihm im Brustkorb den Platz für den Schlag seines Herzens stre i tig machte. Die fröhl i chen Stimmen der Gäste drangen an sein Ohr, mühsam verstand er, dass sie ihn aufforde r ten, die Braut zu küssen. Er sah das schöne Gesicht se i ner Geliebten vor sich. Die Lider schamhaft über die grünen Augen g e senkt, bot sie ihm ihr Gesicht zum Kuss. Er senkte seinen halbgeöffneten Mund auf ihre Lippen, die sich unter seiner Berührung öf f neten. Doch statt Freude und Dankbarkeit über seine schöne, junge Frau zu fühlen, fühlte er, wie all die Verzweiflung und all das Unheil, das ihn erstickte, aus ihm heraus strömte und zu einem Fluch wurde, den er nicht zurüc k halten konnte.
Ihre Lippen trennten sich. Sie blickte ihn aus verschleie r ten Augen an. Von ganz weit entfernt hörte er den A p plaus und die Hochrufe der Gäste.
Schließlich war dann alles wesentlich schneller g e gangen, als er erwartet hatte. Schon am Abend nach ihrer Feier hatte Cynara über Zahnschmerzen ge k lagt. Sie hatte sich feuchte Umschläge machen la s sen, doch die ganze Nacht über konnte sie vor Schmerzen nicht einschlafen. Eigen t lich ha t ten sie am nächsten Morgen abreisen wollen, doch ihr Zu s tand verschlechterte sich stündlich, so dass sie das Haus nicht verla s sen konnte. Die Wange schwoll an, sie bekam Fieber. Agnar ließ einen Heilkundigen h o len, der Auflagen aus verschiedenen Kräutern machte. Nachdem er die Anweisungen des Arztes entgegen g e nommen hatte, nahm er ihn beiseite und fragte, wann sie wohl ihre Reise antreten könnten und was denn übe r haupt los wäre. Ein Zahn hätte sich entzündet und nun müsse man warten, bis der Eiter sich einen Abfluss g e bahnt hätte, lautete die Antwort. Wenn er sich seinen Weg in die Mundhöhle suchte, so wäre bald mit einer Besserung zu rechnen. Würde sich das Übel sich alle r dings durch die Haut entleeren, so würde die Ärmste noch länger zu leiden haben.
Es sah ganz danach aus, als würde die zweite Möglichkeit eintreten. Ihre Wange schwoll zus e hends stärker an, bis sie am nächsten Tag den Mund nicht mehr öffnen kon n te. Mühsam flößten sie ihr schluckweise Tee aus den Heilkräutern ein, die der Arzt dagelassen hatte. Die Schwellung zog sich nun bis an das Ohr und den Hals. Ihr Gesicht erschien durch die rote Beule grotesk ve r zerrt, wenn sie sprechen wollte, gehorchte ihr nur die g e sunde Hälfte. Hinzu kamen die Schmerzen, die sie fast in den Wahnsinn trieben. Immer wieder krallte sie sich an A g nars Hand fest, während ihre Augen seinen Blick suchten. Irgendwann begann er stu n denweise das Haus zu verlassen, um ihrem Anblick zu en t fliehen.
Als er am vierten Tag ihres Leidens nach einem längeren Ausgang zurückkam, fingen ihn die Sklaven schon an der Tür ab. Sie beschworen ihn still zu sein, da sie vor einer halben Stunde zum e r sten Mal seit Tagen eingeschlafen sei. Leise trat er ins Triklinium, in dem die Kranke auf eine der Liegen gebettet lag. Tatsächlich war sie eing e schlafen, ihre entstellten Züge waren entspannt. Die Schwellung ihrer Wange war zwar immer noch ri e sig und von blauroter Farbe, aber die größte Spa n nung und
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