Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
aussehen.
»Entschuldigen Sie.« Millington nahm beinahe Haltung an. »Da draußen geht’s zu wie beim Tag der offenen Tür.«
Resnick schüttelte den Kopf. »Aber ich nehme an, Sie haben sich nicht hierher verkrochen, um noch schnell Büfett und Tanz für den Abend zu organisieren?«
»Nein, Sir.«
Resnick wedelte mit der Tür frische Luft in den Raum und ließ sie schließlich einen guten Spalt offen. »Dann lassen Sie mal hören.«
Millington sah demonstrativ Divine an und wartete. Resnick beobachtete scharf, während er zuhörte: Divine, der mit ungeduldigem Eifer sprach und sich mit gekrümmtenSchultern vorbeugte, wie ein Rugbyspieler, der jeden Moment losstürmte; Lynn, die fester auf ihrem Stuhl saß, Skepsis im Blick; und Millington, erfüllt von der Selbstgerechtigkeit, die mit einem gepflegten Garten und einem sauberen Hemd einherging. Aber was ihn gedanklich wirklich beschäftigte – außer der Tatsache, dass er mittlerweile schon zu lange Sergeant war und nicht verstehen konnte, warum die wohlverdiente Beförderung immer noch auf sich warten ließ –, war Resnick ein Rätsel.
Nachdem Divine geendet hatte, sahen sie alle drei Resnick an, der sich hinter seinem Schreibtisch zurücklehnte. Draußen läuteten Telefone, Beamte nahmen ab und nannten Namen und Rang; einmal ein Lachen, kurz und hart, das in krächzenden Husten überging; jemand pfiff den Refrain von »Stand By Your Man«, und Resnick lächelte, als er sah, wie Lynn Kellogg versuchte, sich zu beherrschen.
»Das hat er wirklich gesagt?«, fragte Resnick. »›Ich habe sie immer im Auge gehabt‹?«
»Wortwörtlich. Da, schauen Sie.« Divine hielt Resnick sein Heft hin. »Eindeutig.«
»Sie hatten nicht zufällig ein Band laufen?«
Divine machte ein finsteres Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Sie glauben doch offensichtlich, dass es etwas zu bedeuten hat«, sagte Resnick.
»Sir, Sie hätten ihn sehen sollen. Als er das sagte, dass er sie immer im Auge hatte. Er hat eindeutig nicht gemeint, ja, ich bin ihr manchmal auf der Straße begegnet, ich wusste, wer sie war. Und auch nicht, dass er sie ab und zu gesehen hat. Nein, nein, da war mehr dahinter.«
»Sie haben ihn nicht weiter danach gefragt? Um sich Ihren Verdacht vielleicht bestätigen zu lassen.«
»Nein, Sir. Ich dachte, wenn ich das täte – ich meine, dann hätte er vielleicht dichtgemacht.«
»Wo ist er jetzt?«
»Einer von den Kollegen trinkt einen Tee mit ihm.«
»Dass er zu wissen glaubte, wer das war, der da unter dem ganzen Schrott versteckt lag«, meinte Resnick, »muss nicht unbedingt so verwunderlich sein. Er hat die Geschichte bestimmt gelesen, das Gesicht der Kleinen in der Zeitung gesehen. Und wenn er sie obendrein persönlich kannte, zumindest vom Sehen, könnte das tatsächlich erklären, warum ihm die Sache so lebhaft im Gedächtnis geblieben ist.«
»Aber das andere, Sir …«
»Ja, ich weiß. Wir reden selbstverständlich noch einmal mit ihm.« Resnick merkte plötzlich, dass er Hunger hatte. Nach dem Morgen in der Pathologie war ihm zwar die Lust aufs Essen vergangen, aber zumindest sein Körper sah das inzwischen anders.
»Lynn?«
»Ja, klingt schon etwas seltsam. Andererseits, wenn da etwas nicht koscher wäre, würde er dann so direkt damit herausrücken?«
»Dumm oder gerissen«, meinte Millington.
»Was ist mit der jungen Frau, dieser Sara?«, wandte sich Resnick wieder an Lynn. »Hat sie etwas über die Reaktion des Jungen gesagt, als den beiden klar wurde, worauf sie da gestoßen waren?«
»Nur, dass er erschrocken war. Das waren sie beide. Sie haben über eine Stunde gebraucht, ehe sie sich entschlossen, hierherzukommen und die Sache zu melden.«
»Hat sie gesagt, wer von beiden der Zögerliche war?«
»Angeblich der Junge, Sir.«
»Mark?«
»Er hat nichts Genaues gesagt, nur dass sie ewig rumgelaufen seien. Er hat allerdings behauptet, sie wären zu ihm nach Hause gegangen, weil die Kleine ziemlich mitgenommenwar und sich erst mal beruhigen wollte, ehe sie hierherkamen.«
»Gut.« Resnick stand auf, Divine und Lynn Kellogg mit ihm. Graham Millington löste sich von dem Aktenschrank, gegen den er sich gelehnt hatte. »Mark, reden Sie noch mal mit ihm, aber piano. Setzen Sie sich doch mit rein, Lynn. Sehen Sie mal, ob Sie rausbekommen können, welcher Art seine Beziehung zu der jungen Frau ist, ob da tatsächlich mehr dran ist, als er gesagt hat. Und dann diese Lagerhalle, vielleicht ist die ja so etwas wie ein Stammplatz von ihm, wo
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