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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Arsch.«
    Kopfschüttelnd, wie um den Leuten, die dem Pantomimen zugunsten dieses neuen Dramas den Rücken kehrten, zu bedeuten, dass er keine Lust hatte, weitere Worte zu verschwenden, kurbelte der Fahrer sein Fenster hoch und legte den Gang ein. Prompt ließ die Frau den Kinderwagen stehen und trat mit dem Fuß so kräftig gegen die Tür, dass eine Beule zurückblieb.
    Darauf kurbelte der Fahrer eilig sein Fenster wieder herunter. »He, Vorsicht.«
    »Das musst du gerade sagen. Du bist doch hier mit hundert Sachen runtergeheizt, du egoistisches Schwein.« Und sie trat ein zweites Mal gegen die Tür.
    »Das reicht.« Der Fahrer stieß die Tür auf und stieg aus.
    In der Menge wurde es still.
    »Entschuldigen Sie.« Patel trat vor. »Entschuldigen Sie.« Er stellte sich zwischen die beiden. »Madam, Sir.«
    »Verpiss dich!«, schrie die Frau ihn an. »Hat dich vielleicht jemand gebeten, deine Nase da reinzustecken?«
    »Genau«, sagte der Fahrer und schubste Patel von hinten an. »Gute Ratschläge von euch Brüdern fehlen uns gerade noch.«
    »Aber ich will doch nur …«, versuchte es Patel.
    »Weißt du was«, sagte der Fahrer. »Verpiss dich endlich.«
    »Ich …«, begann Patel und griff in die Tasche, um seinen Dienstausweis herauszuholen.
    »Hau einfach ab.« Die Frau warf den Kopf zurück und spuckte Patel mitten ins Gesicht.
    »Ich bin Polizeibeamter«, vollendete Patel seinen Satz. Er blinzelte gegen den Speichel und Schleim in seinen Augen an.
    »Na klar«, entgegnete die Frau. »Und ich bin die Königin von Saba.«
    Patel nahm die Hand von seinem Ausweis und griff stattdessen nach einem Papiertaschentuch. Der Fahrer stieg wieder in seinen Lieferwagen, und die Frau manövrierte den Kinderwagen um Patel herum. Schon waren sie beide weg, und die Gaffer widmeten sich wieder dem Pantomimen oder entfernten sich, um ihren Schaufensterbummel fortzusetzen. Nur Lynn Kellogg blieb, wo sie war, in der Türnische von Wallis. Sie wusste nicht, ob Patel sie gesehen hatte, und überlegte, ob sie nicht einfach unbemerkt verschwinden sollte.
    Sie entschied sich schnell; er stand immer noch an derselben Stelle, als sie ihn leicht am Arm berührte und lächelte. »Reizend, was?« Patel nickte und versuchte, ebenfalls zu lächeln. »Man versucht zu helfen, und das ist der Dank.«
    Er knüllte das Papiertaschentuch zusammen und schob es in seine Tasche. »Egal.«
    »Hast du Zeit für einen Kaffee?«
    Patel sah auf seine Uhr. »Eigentlich nicht, aber …«
    Sie durchquerten das Erdgeschoss eines kleinen Ladens, der allen möglichen Krimskrams verkaufte – Duftkerzen, Pappkatzen zum Ausschneiden, aber auch teures Geschenkpapier –, und gingen nach oben in ein Café, in dem vornehmlich Frauen aus Southwell und Burton Jayce in geblümten Kleidern und gediegenen Kamelhaarmänteln saßen.
    »Warum hast du es nicht durchgezogen?«, fragte Lynn, während sie den Zucker in ihrem Kaffee umrührte.
    »Mit dem Dienstausweis, meinst du?«
    Lynn nickte.
    »Wozu? Verzeihen Sie, wenn ich Ihre kleine Meinungsverschiedenheit störe, aber ich bin von der Polizei. Das wäre doch nach dieser ersten Reaktion völlig sinnlos gewesen.« Patel probierte den Kaffee und fand, er schmeckenach nichts. »Die hätten mir sowieso nicht geglaubt, ob ich nun den Ausweis gezeigt hätte oder nicht.«
    Lynn lächelte ironisch. »Falls es dir ein Trost ist, Diptak, ich vermute, mir hätten sie genauso wenig geglaubt.«
    Der Süßwarenladen war voll kleiner Kinder, die an ihren Müttern herumzerrten. »Ich will! Ich will!« Lynn nahm eine kleine Schaufel altmodischer rot-weiß gestreifter Seidenkissen, etwas schwarze Lakritzbonbons mit weichem weißen Inneren, Malzbonbons und ein paar Erdbeerbrausebonbons. Sie konnte sie ja den Kollegen anbieten; kein Mensch sagte, dass sie sie alle selber lutschen musste.
    »Wie viel macht das?«
    Sara Prine sah jung aus in ihrer Kluft, die eher fuchsienfarben als pink war, mit einem gestreiften Pseudoschürzchen, das wohl ein rosiges Bild von alten Zeiten hervorrufen sollte, als jeder noch wusste, wo er hingehörte, als das Geld für ein paar Süßigkeiten nicht vom Lohn einer alleinerziehenden Mutter abgezwackt werden musste und Zucker die Zähne nicht kaputt machte.
    »Ein Pfund achtundvierzig.«
    Lynn zog eine Augenbraue hoch, als sie der jungen Frau einen Geldschein reichte. »Erinnern Sie sich an mich?«, fragte sie.
    Natürlich, sie hatte sich sofort erinnert. Das angespannte kleine Gesicht war noch ein wenig angespannter

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