Der Kindersammler
noch sehr viel mehr Informationen.
Es war diesig und schwül, als sie nach dem Frühstück aus dem Hotel trat. Sie wollte irgendwo eine Flasche Wein für Enrico kaufen, als kleine Wiedergutmachung dafür, dass sie schon wieder dort aufkreuzte.
In einem Alimentariladen nur zwei Straßen weiter kaufte sie einen 98er Rosso di Montepulciano und fuhr sofort los. Ihr Handy schaltete sie aus.
Sie hatte große Schwierigkeiten, das Tal wieder zu finden, denn sie hatte auf der Fahrt mit Kai nicht darauf geachtet, wo er langgefahren war. Kai. Am Nachmittag rufe ich ihn an, dachte sie, vielleicht gehen wir ja heute Abend zusammen essen.
Von Ambra aus fuhr sie nach Duddova und nahm die enge Straße und die Schönheit der Landschaft diesmal wesentlich bewusster wahr. In Duddova fuhr sie an der kleinen Kirche und der gewaltigen Kastanie vorbei und bog danach rechts ab. Sie wunderte sich schon, dass die Straße bergauf führte. Das konnte nicht stimmen. Bei der Fattoria »II Padiglione«, die fast auf der Bergkuppe lag, kehrte sie um. In Duddova fragte sie eine alte Frau mit langen grauen Locken nach dem Weg und verstand kein Wort, als diese erklärte, wo Valle Coronata lag. Immerhin verstand sie die Richtung, bedankte sich und fuhr in einen kleinen Weg hinein, der unter einem Balkon hindurchführte, wodurch man den Eindruck bekam, auf ein Privatgrundstück zu fahren. Aber als sie den Weg weiter durch die Olivenhaine und kontinuierlich bergab fuhr, erinnerte sie sich wieder.
Der zugewachsene Fiat stand unverändert auf dem Parkplatz. Auch danach musste sie Enrico fragen. Langsam ging sie zum Haus, die Flasche Wein in der
Hand. Außer dem Singen der Vögel war kein Laut zu hören und niemand zu sehen.
Das Haus lag scheinbar verlassen in der Vormittagssonne und erschien noch einladender, noch freundlicher als beim ersten Mal.
Enrico war hinter dem Haus, rannte im Laufschritt ständig zwischen einem Steinhaufen und der Quelle hin und her und stapelte die Steine neben der Quelle. Er trug nur eine Badehose. Sein Körper war sonnengebräunt und durch und durch muskulös, nirgends ein Gramm Fett. Als er sie am Haus stehen sah, hielt er inne und lächelte.
»Ich bin's schon wieder«, sagte sie und überreichte ihm die Flasche. »Hier, wegen der Störung.«
Enrico nahm die Flasche und sah auf das Etikett. »Oh, wunderbar, ein Montepulciano. Den müssen wir zusammen trinken.«
Sie gingen langsam zum Haus.
»Ich will dir noch die Quelle mit Natursteinen einfassen«, sagte er. »Dann kann dir das Erdreich nicht einbrechen und die Quelle verschütten, außerdem sieht es schöner aus. Vielleicht finde ich ja auch noch einen alten steinernen Kopf, einen Dionysos oder etwas Ähnliches, der Wasser spucken kann. Den mauer ich dir dann noch ein.«
Das ist ja unglaublich, dachte Anne und war leicht irritiert, gleichzeitig aber auch erfreut.
»Ich hab es heute Morgen in Siena nicht ausgehalten«, sagte sie vorsichtig. »Ich wollte das Haus unbedingt noch einmal sehen.«
»Das hab ich mir gedacht«, meinte er. »Ich habe schon auf dich gewartet. Wie wär's mit einem Kaffee?«
»la. Gern.«
Er ging voran und stieg in seine Arbeitshose, die er über einen Salbeibusch neben der Mühle gehängt hatte. Anne folgte ihm in die Küche. Obwohl es über dem Herd und der Spüle sehr dunkel war, machte er kein Licht, sondern füllte mit fast schlafwandlerischer Sicherheit die Espressokanne mit Kaffee und Wasser und setzte sie auf die kleinste Gasflamme.
»Mach das Haus nicht zu teuer«, sagte sie lächelnd.
»Wieso?« Er sah plötzlich sehr ernst aus.
»Na, wenn du jetzt noch irgendwelche Sachen baust ..., ich glaube, die kann ich mir im Moment nicht leisten. Wenn ich das Haus bezahlt habe, bin ich pleite. Dann darf es in den nächsten zehn Jahren nicht zusammenfallen.«
Enrico blieb stehen und verschränkte seine Hände vor dem Bauch.
»Ich gebe es dir für zwanzigtausend weniger. Kai hat die Summe willkürlich festgelegt, weil er meinte, das sei es wert. Aber ich fand den Preis immer zu hoch. Und die Baumaßnahmen mache ich sowieso. Die wollte ich machen, und die mache ich auch. Wenn du einziehst, ist das Haus perfekt. Ich werde auch noch die Mühle ausgraben und eine Drainage legen. Sonst ist sie zu feucht. Ich bin bisher nur nicht dazu gekommen. Willst du auch im Winter hier leben?«
Anne atmete ganz flach. »Vielleicht. Kann sein ..., ja ... doch ... schon ...«
»Dann brauchst du auch eine Heizung. Es kann hier im Winter verdammt kalt
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