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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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ihrem Kleid ähnlich geblümte Couch, die beiden Blumenmuster waren irritierend. Sie versank fast völlig in den weichen Kissen, und als sie die Beine übereinander schlug, waren ihre Knie höher als ihre Brust.
    Mein Gott, wie unbequem, dachte Kai und hockte sich nur auf die Sesselkante.
    »Wunderschön haben Sie es hier«, sagte er, und Fiamma lächelte geschmeichelt.
    »Schießen Sie los«, forderte sie ihn auf und machte wieder ein grimmiges Gesicht.
    »Es geht um Casa Maria der verstorbenen Giulietta. Meines Wissens gehören Haus und Grundstück der Gemeinde San Vincenti. Ich habe einen Interessenten, der die Ruine kaufen möchte.« »Wen?«
    »Enrico Pescatore. Er ist ein Deutscher, aber er lebt seit vielen Jahren in Italien und hat schon mehrere Ruinen wieder aufgebaut. Ausschließlich mit alten Materialien. Sehr liebevoll, sehr schön.«
    Fiamma winkte ab. Um die Schönheit ging es ihr nicht. »Porcamiseria! Ein Deutscher. Schon wieder ein Deutscher. Überall sind Deutsche und Amerikaner. Das ist ja fürchterlich. Möchten Sie was trinken?«
    »Gerne. Ein Glas Wasser, bitte.«
    Fiamma versuchte, sich aus der Couch zu wuchten dazu musste sie die Beine spreizen, um sich hochzustemmen. Kai wusste gar nicht, wo er hingucken sollte, es war ihm schrecklich unangenehm, und er verfluchte sich insgeheim, dass er ein Glas Wasser gewollt hatte.
    »Die Deutschen kaufen eigentlich nur die Ruinen, die so einsam liegen, dass kein Italiener sie haben will«, sagte er, um die Peinlichkeit zu überspielen. »Und dann bauen sie die Häuser wieder auf und machen Schmuckstücke daraus. Manchmal denke ich, sie geben sich dabei noch mehr Mühe als die Italiener, weil ihnen die Schönheit dieser Gegend viel bewusster ist. Die Italiener, die von Geburt an hier leben, kennen es ja gar nicht anders und wissen es viel weniger zu schätzen.«
    Fiamma holte aus der angrenzenden Küche eine Karaffe Wasser und zwei Gläser. »Madonna, was reden Sie für einen Unsinn«, knurrte sie.
    Kai zuckte zusammen. Das war drastisch. Er wusste sich nicht anders zu helfen und ging sofort zum Angriff über.
    »Wollen Sie überhaupt verkaufen?«
    »Sicher.« Fiamma trank ihr Glas in einem Zug leer.
    »Und wie viel soll die Ruine kosten?«
    »Fünfundzwanzigtausend«, sagte Fiamma und ließ sich schon wieder ins Sofa fallen. »Aber ich verkaufe nicht an einen Deutschen.«
    Kai war entzückt über den niedrigen Preis — er hatte mit mehr gerechnet —, aber Fiamma war ein verdammt harter Brocken.
    Kai holte tief Luft, irgendetwas musste ihm jetzt einfallen. »In diesem Fall ist es ein bisschen anders«, begann er. »Enricos Vater war Italiener und hieß Alfredo Pescatore. Er hatte eine deutsche Frau, und die Familie lebte in der Nähe von Palermo. Als Alfredo, der Maurer war, vom Gerüst fiel und tödlich verunglückte, ging seine Frau mit den Kindern zurück nach Deutschland. Die Sehnsucht nach Italien ließ Enrico sein ganzes Leben nicht los, aber erst als er Ende dreißig war, konnte er seinen Traum verwirklichen und nach Italien zurückkehren. Die Toscana liebte er ganz besonders, darum fing er an, hier alte Häuser oder Ruinen zu restaurieren.« »Aha. Er ist also im Grunde ein Italiener.« Fiamma zündete sich eine extrem dünne Zigarette an, die nur den Durchmesser eines Strohhalms hatte und in ihren derben Fingern mit den klobigen Ringen albern wirkte. »Soso.«
    »Er liebt Italien, Italien ist seine Heimat. Und er hat eine ganz entzückende Frau, die sich sozial sehr engagiert. Ich bin sicher, dass sie sich auch in San Vincenti nützlich macht.«
    Dieses Argument zog. Für soziales Engagement war Fiamma sehr empfänglich, und sie wurde nachdenklicher. Kai wusste, dass er dabei war, sie langsam weich zu kochen.
    »Im Moment haben die beiden allerdings ein Problem, da sie ihr Haus verkauft und kein Dach überm Kopf haben.«
    »Junger Mann«, sagte Fiamma und rekelte sich wieder umständlich aus der Couch hoch, »ich sagte fünf Minuten, und vier Minuten sind um. Aber meinetwegen kann dieser Enrico die Ruine haben. Für dreißigtausend. Denn ich kenne die beiden ja gar nicht.«
    »Abgemacht«, triumphierte Kai und grinste. Fiamma war ein Schlitzohr, aber letztendlich hatten sie beide gewonnen.
    Fiamma zog ihr Kleid glatt, fuhr sich mit der Hand durch die wüste Frisur, was keinerlei Wirkung hatte, und lächelte. »Junger Mann, ich hab vergessen, wie Sie heißen?«
    »Kai. Kai Gregori. Ich wohne in Siena, und da habe ich auch mein Büro.«
    »Kai...

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