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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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sie für immer verloren hatte.
    Anne wurde den Gedanken nicht los, dass Felix eines Tages wiederkommen könnte. Und dann durfte sein Platz in ihrem Haus nicht besetzt sein. Harald konnte sich eher vorstellen, dass ein Meteorit in ihrem Garten einschlagen als dass Felix eines Tages lebendig vor der Tür stehen könnte.
    Vielleicht war sie nach Italien gefahren, um Harald zu beweisen, dass sie ihn finden würde. Tot oder lebendig. Wahrscheinlich wollte auch sie endlich einen Schlussstrich ziehen und damit ihre Ehe retten. Aber bis dahin war es noch ein langer Weg.
    54
    Kai hatte hin und her überlegt, ob er noch einmal zu Hause vorbeifahren sollte, um sich zu rasieren und ein frisches Hemd anzuziehen. Schließlich drückte er aufs Gas und machte doch noch den Umweg über Siena. Das würde ihn zwar mindestens anderthalb Stunden kosten, aber er hatte gehört, das bei Fiamma das äußere Erscheinungsbild sehr viel ausmachte. Fiamma war eine harte Nuss. Man sagte ihr nach, das Schlimmste sei ihre Unberechenbarkeit. Es hing alles von ihrer Laune ab. Ob man freundlich empfangen wurde und Fiamma sich für eine Idee begeisterte oder ob man nach fünf Minuten wieder vor die Tür gesetzt wurde, war reine Glückssache.
    Kai hoffte, dass Fiamma heute ausnahmsweise mal nicht mit dem falschen Bein aufgestanden war, und besorgte in der Nähe seiner Wohnung in der Via di Salicotto bei einem kleinen, sündhaft teuren Alimentarihändler noch schnell eine Flasche Grappa für den Bürgermeister und in einem Blumengeschäft einen Topf mit weißen Margeriten für Fiamma.
    Unter einem Berg Decken vollkommen verschwunden, was jetzt im Sommer eine Tortur sein musste, schlief Allora immer noch. Sie schlug um sich, als er sie sanft wachrüttelte, und erst, als sie ihn erkannte, strahlte sie und sagte »allora«, was so viel hieß wie: »Guten Morgen, was machen wir heute? Egal, ich bleibe auf alle Fälle bei dir.«
    Er verstand sie genau und sagte: »Nein, ich bringe dich jetzt nach Hause. Ich muss sowieso mit Fiamma reden. Zieh dich an, dann fahren wir los.«
    Alloras Augen blitzten. Zornig und voller Angst, dass er sie loswerden wollte. Aber sie sagte nichts, sondern zog sich ihr Kleid über, ging in die Küche, riss den Kühlschrank auf, nahm eine Flasche heraus, setzte sie an den Hals und trank sie in einem Zug leer.
    Kai kam erst dazu, als sie den letzten Schluck nahm. »Bist du verrückt?«, schrie er. »Das war Wein!«
    Allora zuckte die Achseln, ließ die Flasche fallen, die auf dem Steinfußboden zerbrach, rannte gegen den Tisch und rülpste »allora«, während sie aus der Küche stolperte.
    Von da an trottete sie ohne ein weiteres Wort friedlich hinter ihm her.
    Als sie in San Vincenti ankamen, sah Kai gerade noch, wie der Bürgermeister aus seinem Haus stürmte und in seinem kleinen grünen Fiat mit quietschenden Reifen davonfuhr. Kai parkte seinen Wagen kurz vor dem Haus des Bürgermeisters, Allora sprang aus dem Auto und war augenblicklich verschwunden. Es war Kai ganz recht, er wollte sie bei dem Gespräch sowieso nicht dabeihaben, da er nicht wusste, wie sie reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass die Ruine ihrer geliebten Nonna verkauft werden sollte.
    Kai setzte sein charmantestes Lächeln auf, als er den Türklopfer betätigte, man konnte ja nie wissen, ob man nicht bereits beobachtet wurde.
    Wenige Sekunden später flog die Tür auf, und Fiamma brüllte: »Buongiomo«, was klang, als würde man einen Hammer in eine Blechschüssel fallen lassen.
    Kais »Buongiorno« war umso sanfter, was Fiamma augenblicklich versöhnlich stimmte.
    Sie trug ein viel zu enges, geblümtes Kleid, ihre langen schwarzen Haare waren wüst nach oben gesteckt und wirkten wie ein zerstörtes Vogelnest. Ihre leuchtend roten Lippen gaben ihrer stolzen Gestalt eine gewisse Strenge.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie viel zu laut.
    »Mi scusi, Signora«, sagte er. »Mein Name ist Kai Gregori, ich bin Makler aus Siena, und ich habe eine Frage. Es geht um das Haus der verstorbenen Giulietta, um Casa Maria.«
    »Fünf Minuten«, meinte Fiamma. »Mehr Zeit habe ich nicht. Aber kommen Sie um Gottes willen rein, es muss ja nicht die ganze Straße mithören.«
    Kai bedankte sich mit einem Lächeln, sagte: »Permesso« und folgte Fiamma ins Haus.
    Im Flur überreichte er ihr die Margeriten und den Grappa. »Für Sie und Ihren Mann.«
    »Danke«, meinte sie kurz und legte beides auf eine Kommode im Flur. »Kommen Sie mit.«
    Im Wohnzimmer setzte sie sich auf eine

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