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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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reinigt, werden dafür sorgen, dass sich Molche und Kröten nicht mehr so zu Hause fühlen. Ich werde morgens in der ersten Morgensonne ein Bad nehmen und kann völlig sicher sein, dass sich keine Schlange um meinen Knöchel wickelt und mir kein Frosch auf die Schulter springt.
    Der Gedanke daran machte sie regelrecht fröhlich, aber sie wusste auch dass dazu ein umfangreicher Umbau notwendig war. Der alte Pool musste weggerissen und der neue fachmännisch neu gebaut werden. Mit einem Technikraum für Leitungen, Absperrventile, Pumpen und Sandfilter. Vielleicht konnte sie bei dieser Gelegenheit den Pool auch noch um ein paar Meter vergrößern.
    Aber das war Zukunftsmusik. Das kostete ein Vermögen, und jetzt war sie erst mal pleite.
    Sie ging ins Bad und setzte sich auf die Toilette. Erst als sie mit pinkeln fertig war, sah sie, dass kein Klopapier da war. Auch ein Tempotaschentuch oder irgendetwas Vergleichbares gab es nicht. Genervt stand sie auf und zog sich die Unterhose hoch. So etwas konnte sie auf den Tod nicht ausstehen. Aber jetzt war es halb fünf. Spätestens in zwei Stunden würde sie duschen.
    Direkt aus dem Hahn trank sie kaltes Wasser. Der Wein hatte sie durstig gemacht. Sie dachte darüber nach, warum sie hier in der Mühle fast immer von Albträumen heimgesucht wurde, viel mehr a!s sonst. Manchmal hatte sie monatelang keinen einzigen, und hier wachte sie fast jede Nacht in Panik auf.
    Wahrscheinlich muss ich mich wirklich erst an die Stille und die Dunkelheit gewöhnen, tröstete sie sich, aber das Unbehagen blieb. Und erneut kam die Angst in ihr hoch, wie sie es aushalten sollte, allein hier zu leben. Irgendetwas beunruhigte sie stark, das spürte sie, aber sie wusste nicht, was.
    Nachdem sie getrunken hatte, fühlte sie sich wesentlich besser. Sie überlegte, ob sie wach bleiben und bis zum Sonnenaufgang etwas lesen sollte, aber als sie sich hinlegte, spürte sie, wie müde sie noch war.
    In Enrico und Carla habe ich Freunde gefunden, dachte sie, gut, dass sie in Casa Maria wohnen werden. Es war beruhigend, einen Ort zu wissen, wo man jederzeit hingehen konnte und wo jemand war, der einem half. Was wäre das Leben hier ohne Enrico und Carla, dachte sie ein wenig pathetisch, bevor sie in unruhigen Schlaf fiel.
    59
    Am Morgen hatte Carla bereits Kaffee gekocht, als Anne völlig verschlafen um Viertel nach acht aus der Mühle kam.
    »Habe ich vor dem Frühstück noch Zeit zu duschen?«, fragte sie.
    Carla nickte. »Kein Problem. Enrico ist auch noch nicht so weit. Er packt das Auto voller Werkzeug, weil er heute schon mit dem Bau in Casa Maria anfangen will.«
    Anne gähnte und stolperte zurück in die Mühle.
    Eine Viertelstunde später fühlte sie sich erfrischt und vollkommen ausgeschlafen, als sie sich an den Frühstückstisch zu Carla setzte.
    »Mich hat das, was du gestern Abend erzählt hast, nicht losgelassen«, sagte Carla. »Bevor ich mit Enrico nach Italien ging, hab ich als Kindergärtnerin gearbeitet. Kinder sind etwas Wundervolles. Ich kann gut nachempfinden, wie du dich fühlst und was du durchgemacht haben musst.«
    »Es hat mir gut getan, davon zu erzählen«, meinte Anne. Der Kaffee war stark und heiß und wärmte sie bis in die Zehenspitzen.
    »Du kannst mir so oft und so viel von Felix erzählen, wie du willst. So wie es gut für dich ist Ich hör dir gern zu. Und ich wüsste gern noch viel mehr über ihn.«
    »Moment.« Anne stand auf. »Funktioniert der kleine CD-Player, der in der Mühle auf dem Schreibtisch steht?«
    Carla nickte. Anne rannte ins Haus und ließ die Tür weit offen. Kurz darauf ertönte eine hohe Stimme, der glockenhelle Sopran eines Jungen. Felix sang:
    »An den Ufern des Mexiko River zieht ein Wagen so ruhig dahin, ach, ich bin ja so glücklich und zufrieden, weil ich ein Cowboy bin.
    Bin im Westen von Texas geboren, mit den Pferden, da kenn ich mich aus, seht dort drüben am Waldesrande steht mein geliebtes Farmerhaus.
    Wenn am Abend die Feuer entflammen, dann schlägt höher mein Cowboyherz, und ich träum von vergangener Liebe und von Treue und Sehnsucht und Schmerz.
    Wenn ich einmal muss reiten ins Jenseits, wenn gekommen mein letzter Tag, dann grabt mir, ihr Cowboys, als Letztes an den Ufern des River mein Grab.«
    Anne kämpfte mit den Tränen und konnte kaum sprechen. »Es war sein Lieblingslied. Er hat es unentwegt gesungen. Pausenlos. So, dass es uns schon auf die Nerven ging.« Sie lächelte unglücklich. »Jetzt würde ich alles drum geben, wenn er

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