Der Klang Deiner Gedanken
guter Charmeur. Die richtigen Worte zu finden, gehört nicht zu meinen Talenten. Aber du bist nicht durchschnittlich. Dein Gesicht ... also, dein Gesicht ist einzigartig. Wenn ich in fünfzig Jahren in einen Raum voller Leute komme, werde ich dich trotzdem sofort erkennen.“
„Auch mit grauen Haaren und Falten?“
„Natürlich. Deine Augen werden dieselben sein. Und überhaupt sollte man jeden bestrafen, der behauptet, du seist Durchschnitt. Eine Frau kann gar nicht Durchschnitt sein, wenn sie so schöne Augen hat wie du.“
Walt fand ihre Augen schön. Fast hätte sie den nächsten Tanzschritt vergessen.
Er studierte ihre obere Gesichtspartie genau. „Und es ist nicht nur die Farbe, die allein schon ... unglaublich ist. Da ist noch was. Ray kann gut mit Wörtern umgehen, der wüsste es in Worte zu fassen. Deine Augen strahlen und sie sind flink. Sie sind eben Allegro . Genau. Das ist es. Aber dein Lächeln ist Adagio , sanft und still. Und zusammen – sind sie einfach eine wunderschöne Kombination.“
Verlegen sah Allie auf ihre Hand mit den roten Fingernägeln, die auf Walts kräftiger Schulter lag. „Ich dachte, du wärst nicht gut im Komplimenteverteilen.“
„Bin ich auch nicht. Und ich habe sofort einen Knoten in der Zunge, wenn eine Frau noch zu haben ist.“ Sein Arm rutschte weiter um ihre Taille und er zog sie näher zu sich heran. „Aber du bist die große Ausnahme.“
Vor Allies Augen verschwammen die Farben. Die große Ausnahme? Er dachte wirklich, sie sei noch zu haben. Und das bedeutete, dass ...
„Was ist mit mir? Würdest du mich in fünfzig Jahren auch noch erkennen?“
„Was? Oh, ich ... ich weiß nicht.“ Allie war fasziniert von ihren Gedanken und gleichzeitig machten sie ihr Angst. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbringen, um sich auf seine Frage zu konzentrieren. Ob sie ihn erkennen würde? Wie sollte sie nicht? „Ja. An deinen Augen.“
„Was siehst du denn in meinen Augen?“ Er warf sich in eine Pose, die besonders edel aussehen sollte: das Kinn nach oben und den Kopf zur Seite.
Sein Gesichtsausdruck war so komisch, dass Allie lachend mit der Hand gegen seine Wange drückte. „Du musst mich angucken, du Dummkopf.“
Ihn anzufassen war ein Fehler. Jetzt strahlten seine Augen noch mehr. „Okay, ich sehe dich an. Was siehst du?“ Seine Stimme war so kratzig wie die Bartstoppeln unter Allies Fingern.
Mühsam brachte sie ihre Hand wieder zu seiner Schulter. Sie konnte nicht aussprechen, was sie in seinen Augen sah: Alles, was sie sich je erträumt hatte, aber nie haben würde – weder mit Walt noch mit irgendjemandem sonst. Und alles nur aus Anstand, Loyalität und wegen der Erwartungen anderer.
Er räusperte sich. „Einen Kerl, der nur Flugzeuge im Kopf hat?“
„Nein, natürlich nicht.“ Eine Welle der Zuneigung überrollte sie. „Ich sehe Intelligenz und Mut. Ich sehe ein gutes, verständnisvolles Herz. Und deinen Humor.“
Walt schnitt eine Grimasse. „Du lobst wohl alle deine Dates in den Himmel.“
„Nein. Du weißt genau, dass mir der Umgang mit Menschen oft schwerfällt.“ Jetzt wäre die Gelegenheit, Baxter positiv zu erwähnen, aber es wäre eine Lüge. In den wenigen Momenten, in denen sie mit ihm allein war, herrschte eisiges Schweigen.
Walt lehnte sich vor, bis ihre Wangen sich fast berührten. „Ich bin froh, dass ich die Ausnahme bin.“
Allie atmete den aufregenden Duft von Seife, Wolle und Aftershave ein. Sie konnte Walt jetzt nicht von Baxter erzählen. Was, wenn er ausrastete und Bettys Hochzeit verdarb? Oder wenn er sich eingeschnappt verzog und alle anderen über sie tuschelten? Schweigen war eindeutig die beste Lösung für diese Zwickmühle.
Und irgendwo, ganz tief in ihr, wollte sie diesen kostbaren Augenblick auch nicht zerstören. Sie hatte so lange darauf gewartet und er würde nie wiederkehren. Auch wenn ein Leben mit Walt unmöglich war, wollte sie doch diesen Moment in ihr Gedächtnis einbrennen, in dem sie sich schön, begehrt und lebendig fühlte.
Es war ein Moment für die Ewigkeit.
Kapitel 9
Sonntag, 28. Juni 1942
Walt schaufelte dampfendes Rührei auf seine Gabel. Noch nie hatte er einen solchen Appetit gehabt.
Er hatte noch immer Allies blumiges Parfüm in der Nase, den weichen Stoff ihres Kleides zwischen den Fingern und ihren verträumten Blick vor Augen. Und er könnte noch immer ihren Kuss auf den Lippen spüren, wenn Dorothy nicht dazwischengekommen wäre.
„ Wieso willst du sie nach Hause
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