Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
war er, wenn er wie immer war?«
»Recht extrovertiert und entspannt. Aber natürlich konnte er gelegentlich auch ein wenig arrogant sein. Er hatte viele Seiten, aber das haben wir schließlich alle, nicht wahr?«
»Gab es etwas, was darauf hätte hindeuten können, dass er deprimiert war?«
»Sie meinen, ob ich glaube, dass er sich das Leben genommen hat?«
»Glauben Sie das?«
Helena lachte bitter.
»Oha, man muss seine Worte wirklich sorgsam wählen. Eine Frage wird einem gleich als Behauptung entgegengehalten. Entschuldigen Sie, dass ich lachen musste, Ebba. Das war eine nervöse Reaktion und vollkommen unangebracht.«
Sie sammelte sich einen Augenblick und fuhr dann mit wiedergewonnener Konzentration fort. »Um Ihre Frage zu beantworten, ob es vorstellbar ist, dass sich Raoul das Leben genommen hat, so glaube ich das nicht. Es ist natürlich möglich, wirkt aber zu unwahrscheinlich. Raoul hätte vermutlich nie den Suizid als Ausweg aus einer schwierigen Situation gewählt.«
»Befand er sich denn in einer schwierigen Situation?«
»Nein, nein, so habe ich das auch wieder nicht gemeint. Jetzt fängt das wieder an. Ich meine, rein hypothetisch. Ich bin rein hypothetisch der Ansicht, dass Raoul nicht zu den selbstmordgefährdeten Leuten gehörte, falls man so etwas überhaupt wissen kann.«
»Haben Sie irgendeine Idee, wie er ins Wasser geraten sein könnte?«
»Ich habe keine Ahnung. Irgendwie muss er ja reingefallen sein. Die Felsen sind glatt, und wenn es dunkel wird, sieht man kaum etwas.«
Glatte Felsen, das haben wir auch schon mal gehört, dachte Ebba und ließ ihren Blick eine Weile auf Helena ruhen. Sie sah etwas müde aus, trug das aber mit Eleganz.
»W ie sah Ihre Beziehung aus?«
Helena fing sich rasch.
»Sie meinen, in welchem Verhältnis wir zueinander standen?«
»Ja, können Sie das beschreiben?« Ebba sah sie aufmunternd an. »Mit eigenen Worten.«
Helena blinzelte einige Male und fuhr dann unbeschwert fort, obwohl mit etwas leiserer Stimme als zuvor. »Raoul und ich kannten uns seit vielen Jahren. Ich bin ihm und seiner Frau Joy hier auf Svalskär einige Male begegnet. Dann habe ich ihn natürlich im Laufe der Jahre in unterschiedlichen musikalischen Zusammenhängen getroffen. So ist das halt. Es ist eine kleine Welt.«
»Haben Sie Raouls Frau angerufen und ihr von dem Vorfall berichtet?«
»Nein, leider nicht, ich … ich gehe davon aus, dass Louise sie angerufen hat.«
Ebba nickte und machte sich ein paar Notizen in ihrem Computer. Sie merkte, dass Helena den aufgeklappten Monitor betrachtete, als versuchte sie ihn zu durchbohren, um zu lesen, was sie über sie schrieb.
»Können Sie mir sagen, wie die anderen auf den Todesfall reagierten?«
»Es erfüllte uns natürlich mit Trauer, dass Raoul nicht mehr unter uns weilt. Ich kann es noch gar nicht recht begreifen. Es dauert, so etwas zu verarbeiten. Wir stehen alle noch unter Schock.«
»Gab es Unstimmigkeiten zwischen Ihnen?«
»W ie meinen Sie das? Wieso?«
»Ich hätte gerne gewusst, ob es zum Streit kam, als Sie Raoul fanden?«
»Offenbar hat das jemand behauptet. Dann wissen Sie darüber ja bereits Bescheid.«
»W ürden Sie bitte meine Frage beantworten.«
Helena holte tief Luft und faltete die Hände.
»Alle reagieren unterschiedlich auf eine Trauerbotschaft. Einige werden aggressiv. Das ist natürlich eine Methode, die plötzliche Trauer zu kanalisieren. Man kann von Menschen in solch einer extremen Situation kaum erwarten, dass sie sich vollkommen im Griff haben. Stellen Sie sich das mal vor, mitten in der Nacht auf einer Insel in den Schären. Das ist natürlich dramatisch. Dass wir uns dann auch noch inmitten einer polizeilichen Ermittlung wiederfinden, wo wir eigentlich nur unsere Trauer bewältigen wollen … «
Sie beendete den Satz mit einer entmutigten Handbewegung. Aber Ebba ließ sich nicht von ihrer Frage abbringen.
»W er stritt, Helena?«
Helena schüttelte nur den Kopf und fuhr mit ruhiger Stimme fort. »Niemand stritt. Anna und Caroline wurden natürlich hysterisch, als sie den toten Raoul vor sich sahen. Vielleicht hatten sie ja noch nie zuvor einen Toten gesehen, das dürfen Sie nicht vergessen.«
Im Unterschied zu dir, dachte Ebba, du gerätst nicht in Panik, wenn du dem Tod begegnest. Das ist Teil des Arztberufes.
Nur die Ringe unter den Augen verrieten, dass Helena Andermyr nicht ganz auf der Höhe war. Im Übrigen wirkte sie erstaunlich frisch, im Hinblick sowohl auf ihr Alter als
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