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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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scharfe Luft, »das ist wirklich die Pißrinne von Kreuzberg! Deprimierend, wenn man da drin wohnt.«
    »Ja, ja«, sagte Frank. Er fror und hatte auf eine solche Unterhaltung jetzt keine Lust, er wollte nur so schnell wie möglich wieder ins Warme. Aber Karl machte keine Anstalten, endlich loszugehen, er starrte nur griesgrämig in die Nacht. So geht es nicht, man muß etwas tun, dachte Frank, sich bewegen, vorangehen, die Initiative ergreifen, die Kneipe soll in der Wiener Straße Ecke Ohlauer Straße sein, das ist, dachte Frank, ein Fall für den Stadtplan.
    Karl zündete sich eine Zigarette an.
    »Hast du auch mal eine für mich«, sagte Frank und kämpfte dabei mit dem Stadtplan, von dem er in der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte.
    »Klar.« Karl hielt ihm die Packung hin. »Was willst du denn mit dem Stadtplan?«
    »Nachschauen, wo wir langmüssen.«
    »Hättest mich doch fragen können.«
    »Wollte dich nicht bei deinen Harnröhrenüberlegungen stören.«
    »Pißrinne. Die Reichenberger Straße ist die Pißrinne. Die Harnröhre ist der Tunnel unterm Görlitzer Park.«
    »Ach so.«
    »Du kannst das Ding wieder zusammenfalten. Ich weiß, wo wir langmüssen.«
    »Das denk ich mir. Aber du machst da keine große, öffentliche Sache draus, oder? Ich meine, wenn wir spät dran sind, dann sollte man vielleicht mal losgehen! «
    »Das bringt nichts, wenn man zu sowas pünktlich kommt«, sagte Karl, »das verwendet einer wie Erwin nur gegen einen. Dann glaubt er, wir wären ganz scharf drauf, in seine neue Scheißwohnung da überm Einfall zu ziehen.«
    »Ich verstehe das sowieso alles nicht«, sagte Frank und kämpfte verzweifelt mit der Patentfaltung des Stadtplans.
    »Das kann man auch nur verstehen, wenn man Helga kennt. Erstmal in Ruhe aufrauchen und dann gehen wir da ganz langsam rüber. Und gib mir mal den Plan, das ist ja nicht zum Angucken!«
    »Okay.« Frank gab Karl den Falkplan, und Karl knüllte ihn irgendwie in eine rechteckige Form, bevor er ihn in seiner Jacke verschwinden ließ. »Mann, ist das ‘ne Scheißluft! « sagte er dann.
    »Ja.«
    »Smog. Das kommt von den ganzen Kachelöfen, die verfeuern da drin Briketts wie die Blöden.«
    »Das ist aber auch ganz schön kalt!«
    »Das ist ja der Witz bei Smog, daß es unten kalt ist und oben warm«, sagte Karl.
    »Soso«, sagte Frank. »Wo ist oben in dem Fall?«
    »Ganz weit oben«, sagte Karl und zeigte in den Himmel. »Unten arschkalt und da oben warm, also umgekehrt wie sonst, dann ist Smog.«
    »Neulich habe ich geträumt, daß ich zu Freddie sage, daß sich das mit dem Rauchen nicht lohnt, weil die Luft eh schon so schlecht ist.«
    »So ‘ne Träume will ich auch mal haben.«
    »Laß uns mal da hingehen, wie heißt das nochmal, habe ich vergessen, da Wiener Ecke Ohlauer Straße, wo wir da hinwollen!«
    »Ins Einfall!«
    »Ja, Einfall, das wird jetzt echt kalt.«
    »Okay«, sagte Kar! und warf den aufgerauchten Stummel seiner Zigarette weg. »Aber wenn Erwin von der neuen Wohnung und dem ganzen Scheiß da redet, dann laß mich das mal machen. Ich weiß, wie man ihn behandeln muß, ich kenn ihn besser.«
    »Okay.«
    »Vor allem kenn ich Helga, das ist das Wichtigste.«
    »Okay.«
    »Na dann«, sagte Kar! und schnippte seine Zigarettenkippe auf die Reichenberger Straße, »auf in den Kampf!«
    Das Einfall war eine kleine, schäbig eingerichtete Kneipe ganz in der Nähe. Frank war an ihr schon mehrmals vorbeigelaufen, zum Beispiel auf dem Weg vom griechischen Lokal zur Zone am Tag zuvor, aber das war gestern gewesen, und gestern, das war für Frank eine längst vergangene Epoche, als noch alles neu gewesen war und er noch niemanden in der Stadt gekannt hatte. Jetzt dagegen traf er im fast leeren Einfall schon auf Anhieb zwei Bekannte, nämlich Erwin und Klaus, die beide hinter dem Tresen standen. Klaus hatte ein großes Pflaster auf der Stirn, sah aber ansonsten ganz gesund aus, und das beruhigte Franks schlechtes Gewissen, weil er sich am Abend zuvor vor der anfliegenden Bierdose so feige weggeduckt hatte.
    »Wie läuft’s, Jungs?« rief Karl ihnen zu.
    »Die Kaffeemaschine ist schon wieder kaputt«, sagte Erwin. »Ich glaub, ich schmeiß die raus, das bringt doch nichts mehr, das ist doch nur noch Nostalgiescheiße.«
    »Tja, Erwin, das wird aber teuer, so eine neue Kaffeemaschine!«
    »Das ist doch nicht teuer, da nehm ich eine für hundert Mark oder so!«
    »Wer billig kauft, kauft teuer!« sagte Kar!.
    »Ich war neulich in der Hauptstraße, da

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