Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Zuschlagen der Tür, auf die trockenen Schritte seines Vaters, der schnell durch den Flur kam, wie er es immer tat, wenn er wütend war und es ernst meinte ...
Zitternd vor Anstrengung versuchte Hely, sich nicht allzu steif zu halten, aber dann konnte er seine Neugier nicht mehr bezähmen, und mit einem angstvoll verstohlenen Blick nach draußen erkannte er, dass sein Vater mit nervenzerreißender Gelassenheit eben erst aus dem Auto stieg. Er wirkte unbekümmert, ja, sogar gelangweilt, auch wenn sein Gesichtsausdruck wegen der grauen Sonnengläser, die auf seiner Brille klemmten, schwer zu erkennen war.
Hely konnte den Blick nicht mehr von ihm wenden und sah zu, wie er um den Wagen herumging und den Kofferraum aufmachte. Nacheinander hob er seine Einkäufe ins leere Sonnenlicht und stellte sie auf den Zementboden: Wandfarbe. Plastikeimer. Ein zusammengerollter grüner Gartenschlauch.
Hely stand sehr leise auf, trug seine Schüssel in die Küche und spülte sie aus. Dann ging er hinauf in sein Zimmer und machte die Tür zu. Er legte sich in die untere Koje, starrte zu dem Lattenrost über ihm hinauf und bemühte sich, nicht zu hyperventilieren oder allzu sehr auf seinen eigenen Herzschlag
zu achten. Dann hörte er Schritte. Draußen vor der Tür fragte sein Vater: »Hely?«
»Sir?« Warum quietscht meine Stimme so?
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst den Fernseher ausschalten, wenn du nicht mehr schaust?«
»Ja, Sir.«
»Ich möchte, dass du herauskommst und mir hilfst, den Garten deiner Mutter zu wässern. Heute Morgen dachte ich, es würde Regen geben, aber anscheinend hat es sich verzogen.«
Hely wagte nicht zu widersprechen. Er verabscheute den Blumengarten seiner Mutter. Ruby, das Hausmädchen vor Essie Lee, war niemals auch nur in die Nähe der dichten, winterharten Pflanzenbüsche gegangen, aus denen seine Mutter ihre Schnittblumen holte. »Schlangen mögen Blumen«, hatte sie immer gesagt.
Hely zog seine Tennisschuhe an und ging hinaus. Die Sonne stand schon hoch und heiß am Himmel. Das grelle Licht schien ihm in die Augen, und ihm war flau vor Hitze, als er mit zwei oder drei Schritten Abstand auf dem knisternden gelben Rasen stand und den Schlauch über das Blumenbeet schwenkte, wobei er ihn so weit wie möglich von sich weg hielt.
»Wo ist dein Fahrrad?«, fragte sein Vater, der eben aus der Garage kam.
»Ich...« Hely sank das Herz in die Hose. Sein Fahrrad war noch da, wo er es zurückgelassen hatte: auf dem Mittelstreifen vor dem Mormonenhaus.
»Wie oft muss ich es dir denn sagen? Du sollst erst ins Haus kommen, wenn das Rad in der Garage ist. Ich hab’s bis obenhin satt, dir zu predigen, dass du es nicht im Garten herumliegen lassen sollst.«
Irgendetwas stimmte nicht, als Harriet herunterkam. Ihre Mutter trug eins der baumwollenen Blusenkleider, mit denen sie zur Kirche ging, und wirbelte in der Küche umher. »Hier«, sagte sie und reichte Harriet kalten Toast und ein Glas Milch.
Ida hatte Harriet den Rücken zugewandt und fegte den Boden vor dem Herd.
»Gehen wir irgendwohin?«, fragte Harriet.
»Nein, Schatz ...« Die Stimme ihrer Mutter klang fröhlich, aber ihr Mund wirkte ein wenig angespannt, und der wächserne korallenrote Lippenstift ließ ihr Gesicht weiß aussehen. »Ich dachte nur, ich stehe heute Morgen auf und mache dir Frühstück. Ist das in Ordnung?«
Harriet sah sich nach Ida um, die sich aber nicht umdrehte. Die Haltung ihrer Schultern war eigenartig. Edie ist etwas passiert, dachte Harriet entsetzt. Edie ist im Krankenhaus... Ehe sie über diesen Gedanken hinwegkommen konnte, bückte sich Ida Rhew mit dem Kehrblech, ohne Harriet anzusehen, und Harriet sah erschrocken, dass sie geweint hatte.
Die ganze Angst der letzten vierundzwanzig Stunden brach donnernd über sie herein, begleitet von einer Angst, für die sie keinen Namen hatte. Zaghaft fragte sie: »Wo ist Edie?«
Harriets Mutter sah sie verdutzt an. »Zu Hause«, sagte sie. »Warum?«
Der Toast war kalt, aber Harriet aß ihn trotzdem. Ihre Mutter setzte sich zu ihr an den Tisch und sah ihr zu. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. »Schmeckt’s?«, fragte sie.
»Ja, Ma’am.« Weil sie nicht wusste, was los war und wie sie sich verhalten sollte, konzentrierte sich Harriet auf den Toast. Dann seufzte ihre Mutter. Harriet blickte auf und sah noch, wie sie sich ziemlich niedergeschlagen erhob und hinausschwebte.
»Ida?«, flüsterte Harriet, als sie
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