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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Namensschild. »Hoppsala!« , sagte sie mit fröhlicher Stimme. »Wehgetan?«
    Harriet umklammerte ihren Arm und starrte der Krankenschwester mit äußerster Konzentration ins Gesicht. Bonnie Fenton, wiederholte sie bei sich, als sei der Name eine Zauberformel, die sie beschützte. Bonnie Fenton, Bonnie Fenton, Bonnie Fenton ...
    »Deshalb dürfen wir auf den Gängen nicht rennen!«, sagte die Schwester. Aber sie sprach nicht mit Harriet, sondern mit Bühnenstimme zu einer dritten Person, und als Harriet den Gang hinunterschaute, sah sie weiter hinten Edie und den Arzt hinter dem Vorhang hervorkommen. Sie spürte, wie der Blick des Predigers sich in ihren Rücken bohrte, und sie rappelte sich auf, rannte zu Edie und schlang ihr die Arme um die Taille.
    »Edie!«, rief sie. »Bring mich nach Hause, bring mich nach Hause!«
    »Harriet! Was ist denn in dich gefahren?«
    »Wenn du nach Hause gehst«, sagte der Arzt, »wie sollen wir dann herausfinden, was dir fehlt?« Er versuchte, freundlich zu sein, aber die Haut unter den Augenhöhlen in seinem schwermütigen Gesicht sah aus wie geschmolzenes Wachs, und das war plötzlich sehr beängstigend. Harriet fing an zu weinen.
    Ein abwesendes Tätscheln auf ihrem Rücken: typisch für Edie, dieses Tätscheln, knapp und geschäftsmäßig, und Harriet musste nur noch lauter weinen.
    »Sie ist ganz außer sich.«
    »Normalerweise sind sie nach einem Anfall schläfrig. Aber wenn sie aufgebracht ist, können wir ihr etwas geben, damit sie sich entspannt.«
    Harriet warf einen furchtsamen Blick über die Schulter. Aber der Flur war leer. Sie beugte sich herunter und berührte ihr Knie; sie hatte es aufgeschürft, und es tat weh. Sie war vor jemandem weggerannt, sie war hingefallen und hatte sich wehgetan, das zumindest war wirklich passiert, und sie hatte es nicht geträumt.
    Schwester Bonnie löste Harriet von Edie. Schwester Bonnie führte Harriet zurück hinter den Vorhang... Schwester Bonnie öffnete einen Schrank, zog aus einer kleinen Glasampulle eine Spritze auf...
    »Edie!«, schrie Harriet.
    »Harriet?« Edie steckte den Kopf durch den Vorhang. »Sei nicht albern, es ist nur eine Spritze.«
    Ihre Stimme ließ Harriet erneut in Tränen ausbrechen, und sie bekam einen Schluckauf. »Edie, bring mich nach Hause. Ich hab Angst. Ich hab Angst. Ich kann nicht hier bleiben. Diese Leute sind hinter mir her. Ich...«
    Sie wandte den Kopf ab und verzog das Gesicht, als ihr die Schwester die Nadel in den Arm stieß. Dann wollte sie vom Tisch herunterrutschen, aber die Schwester hielt sie am Handgelenk fest. »Nein, wir sind noch nicht fertig, Schätzchen.«
    »Edie? Ich... Nein, die will ich nicht!« Sie wich vor Schwester Bonnie zurück, die zur anderen Seite herumgegangen war und mit einer neuen Spritze auf sie zukam.
    Höflich, aber ohne viel Heiterkeit, lachte die Schwester und warf dabei Edie einen Hilfe suchenden Blick zu.
    »Ich will nicht einschlafen, ich will nicht einschlafen«, schrie Harriet, als sie sich umzingelt sah, und sie schüttelte Edie auf der einen Seite und Schwester Bonnies weiche, beharrliche, beringte Hand auf der anderen von sich ab. »Ich hab Angst! Ich...«
    »Doch nicht vor dieser kleinen Nadel, Herzchen.« Schwester Bonnies Stimme, anfangs noch besänftigend, klang jetzt kühl und bedrohlich. »Sei nicht albern. Nur ein kleiner Stich, und...«
    »Na«, sagte Edie, »ich werde jetzt mal nach Hause fahren ...«
    »EDIE!«
    »Wir wollen mal nicht so laut sein, Schatz«, sagte die Schwester, und dabei stach sie Harriet die Nadel in den Arm und drückte den Kolben herunter.
    »Edie! Nein! Sie sind hier! Lass mich nicht allein! Lass mich ...«
    »Ich komme doch wieder  – jetzt hör mal zu.« Edie hob das Kinn, und ihre Stimme übertönte Harriets panisches Gestammel scharf und effizient. »Ich muss Allison nach Hause bringen, und dann muss ich bei mir vorbeifahren und ein paar Sachen holen.« Sie wandte sich der Schwester zu. »Können Sie ein Bett für mich in ihr Zimmer stellen?«
    »Selbstverständlich, Ma’am.«
    Harriet rieb sich die Einstichstelle an ihrem Arm. Bett. Das Wort hatte einen tröstlichen, heimeligen Klang – wie Watte, wie Hottentott, Harriets alter Babykosename. Fast konnte sie es auf der Zunge schmecken, dieses runde, süße Wort Hottentott: glatt und hart, rund wie ein Malzbonbon.
    Sie lächelte in die Runde der lächelnden Gesichter am Tisch.
    »Jetzt wird jemand schläfrig«, sagte Schwester Bonnie.
    Wo war Edie? Harriet hatte

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