Der Knochenbrecher
erstickt â oft tritt der Tod ein, bevor man überhaupt irgendwelche Schmerzen aufgrund der VerÂbrennungen spürt. Aber das war hier nicht der Fall. Es gab keinen Rauch, den sie hätte einatmen können. Sie hat den Schmerz mit jedem Nerv gespürt.« Hove legte den Zylinder weg und atmete aus. »Wie Ihnen bekannt ist, wurden die inneren Organe des zweiten Opfers quasi zerfetzt. Sie hat sehr gelitten, aber gleichzeitig haben die Verletzungen auch zu einem enorm hohen Blutverlust geführt. Wir alle wissen, dass der Körper, sobald der Mensch eine bestimmte Menge an Blut verliert, einfach herunterfährt â eine Art Winterschlaf- oder Narkoseeffekt. Es wird kalt, man wird müde, der Schmerz verschwindet, und man verliert das Bewusstsein, bevor man stirbt.« Hove fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Aber nicht bei Verbrennungen. Der Blutverlust ist minimal, und es tritt keinerlei Narkoseeffekt ein. Nur unvorstellbarer Schmerz.«
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Dr. Hove deutete auf einen durchsichtigen Plastikbeutel, der hinter ihr auf dem Stahltresen lag. Sein Inhalt sah aus wie ein Klumpen weicher Teer.
»Das ist alles, was noch von ihren Geschlechtsorganen übrig ist. Das Feuer und die Hitze haben sie bis zur völligen Unkenntlichkeit verkohlt. Nicht mal ich konnte noch erkennen, was früher was war.«
Kein Wort von Hunter oder Garcia. Die Rechtsmedizinerin fuhr fort.
»Ihr Uterus, ihre Eierstöcke und ihre Blase sind in der Bauchhöhle explodiert. Todesursache war multiples OrÂganversagen, aber bis dahin hat es eine ganze Zeit gedauert, und während dieser Zeit hat ihr Körper unvorstellbare SchmerÂzen aushalten müssen. Bis er irgendwann nicht mehr konnte.«
Garcias Blick glitt immer wieder zum Plastikbeutel mit seinem schwarzen Inhalt.
»Stand sie unter Medikamenten?«, fragte Hunter.
»Zweifellos, aber die Tox-Ergebnisse werden noch ein paar Tage auf sich warten lassen. Ich vermute, der Täter hat wieder Estazolam verwendet.«
»Irgendwelche Anzeichen von Mangelernährung oder Austrocknung?«
Dr. Hove schüttelte den Kopf. »Keine. Und genau wie beim letzten Opfer kann ich nicht sagen, ob sie sexuell missbraucht wurde.«
Als Hunter und Garcia kurz darauf im Parker Center eintrafen, hatte die Recherche-Einheit bereits einen dreiseitigen Bericht über Jessica Black zusammengestellt.
Sie war im Süden von Los Angeles geboren, ihr dreiÃigster Geburtstag lag einen Monat zurück. Der Bericht erwähnte ihre entbehrungsreiche Kindheit â sie hatte mit neun Jahren ihre Mutter verloren â sowie eine Begegnung mit einem alten Bluesgitarristen im Park, die in ihr die ÂLeidenschaft fürs Gitarrenspiel geweckt hatte. Der Bericht schilderte auch ihren Weg zum Ruhm, nachdem ihre Videos bei YouTube eingestellt worden waren. Ihre Konzerte waren Wochen im Voraus ausverkauft. Sie und ihr Lebensgefährte Mark Stratton, der ebenfalls Gitarrist war, allerdings bei einer Metalband namens Dust, bewohnten seit einigen Monaten ein gemeinsames Apartment in Melrose.
Hunter rief zuerst die Festnetznummer an â keine Antwort. Dann versuchte er es auf Marks Handy â Mailbox. Eine Nachricht hinterlieà er nicht.
Für die Fahrt nach Melrose brauchten Hunter und Garcia eine Dreiviertelstunde. Jessicas und Marks Apartment befand sich im obersten Stock eines privaten Wohngebäudes in der North Kings Road, das von einem kleinen Wäldchen kalifornischer Lorbeerbäume umgeben war. Der Portier war ein groÃer, schlaksiger Mann Ende zwanzig mit rasiertem Schädel und trendigem Ziegenbärtchen. Er hieà Scott und beteuerte, Jessica seit mehreren Tagen nicht gesehen zu haben. Seit fünf Tagen, um genau zu sein.
»Was ist mit Miss Blacks Lebensgefährten?«, fragte Garcia.
»Mark? Der ist seit ⦠vier Tagen unterwegs«, antwortete Scott. »Seine Band bringt bald ihr neues Album raus, und sie wollen noch ein paar kleinere Gigs spielen, bevor die richtige Tour losgeht.«
»Wissen Sie, wann er wieder zurückkommt?«
Scott schüttelte den Kopf. »Nicht genau, aber ein paar Wochen wird es garantiert noch dauern.«
Hunters Blick wanderte durch die Lobby und blieb schlieÃlich an der Ãberwachungskamera hinten in der Ecke hängen.
»Wie viele Kameras gibt es im Gebäude?«, fragte er.
»Vier«, antwortete Scott. »Eine drauÃen vor dem Eingang, die hier in
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