Der Knochenbrecher
sich allmählich auf, aber Garcia war von Hunters Worten noch immer wie betäubt. Hinter ihm drückten die Fahrer mahnend auf die Hupe. Die Ungeduldigeren unter ihnen hatten sogar schon die Fenster heruntergekurbelt und brüllten Beleidigungen. Garcia jedoch schenkte ihnen keine Beachtung. Er lieà sich mit dem Weiterfahren Zeit. Seine Aufmerksamkeit war ganz bei Hunter.
»Bitte sag mir, dass hinter diesem Schwachsinn irgendwas Sinnvolles steckt. Was soll das, Robert? Der Killer ist in meine Frau verliebt?«
»Nein, nicht in Anna«, gab Hunter zurück. »Was, wenn der Killer glaubt, dass er in seine Opfer verliebt ist?«
Garcia kniff die Augen zusammen, während er darüber nachdachte. »Was, in beide ?«
»Ja.«
»Zur selben Zeit?«
»Ja.«
»Und wir reden hier nicht von der Liebe, die ein Bewunderer für sein Idol empfindet?«
»Nein.«
Garcias Augen verengten sich noch weiter. »Aber wenn er sie wirklich liebt, wieso bringt er sie dann auf derart bestialische Weise um?«
»Ich habe nicht gemeint, dass er sie tatsächlich geliebt hat«, stellte Hunter richtig. »Ich meinte, dass er glaubt , sie zu lieben. In Wirklichkeit liebt er bloà ihr Bild â die Person, die sie in seinen Augen verkörpert â, nicht sie selbst.«
Schweigen.
Sekunden später kam die Erleuchtung.
»Leck mich! Beide Opfer haben ihn an jemand anderen erinnert!« Endlich hatte Garcia begriffen. »Jemanden, den er früher geliebt hat. Deswegen auch die Ãhnlichkeit.«
Hunter nickte. »Er will gar nicht sie. Er will die Person, an die sie ihn erinnern.« Er sah zu, wie das BMW -Cabrio davonbrauste. »Das Fehlen jeglicher Verletzungen bei beiden Opfern, abgesehen von den Stichen, hat mir von Anfang an Rätsel aufgegeben. Ich habe immer gedacht: Wenn er sie nicht wegen Lösegeld entführt hat, muss es einen anderen Grund geben, weshalb er sie gefangen hält, bevor er sie umbringt, und vor allem muss es einen Grund geben, weshalb er sie bis zuletzt nicht anrührt. Es hat einfach alles nicht richtig zusammengepasst. Keine unserer bisherigen Theorien konnte eine plausible Erklärung dafür liefern, wieso die Leichen keinerlei Verletzungen aufwiesen. Bei einer Âsexuell motivierten Tat hätte es Verletzungen geben müssen ⦠Bei einer Tat aus Rache hätte es Verletzungen geÂben müssen ⦠Bei einer Tat, die von Frauenhass oder meinetwegen auch von einem Hass auf dunkelhaarige Künstlerinnen motiviert wäre, der durch irgendein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit des Täters ausgelöst wurde, hätte es Verletzungen geben müssen ⦠Wäre der Täter ein besessener Fan, hätte es Verletzungen geben müssen ⦠Wäre er ein paranoider Sadist, hätte es Verletzungen geben müssen ⦠Hätte er aus reiner Mordlust gehandelt, hätte es Verletzungen geben müssen ⦠Es hat alles keinen Sinn gemacht.«
Garcia hob die Brauen.
»Ich hätte eigentlich schon vor ein paar Tagen draufkommen müssen, als wir Patrick Barlett vernommen haben, aber da habe ich es offenbar bloà im Unterbewusstsein abgespeichert und gleich wieder vergessen.«
»Patrick Barlett?« Garcia runzelte die Stirn. »Den Exverlobten von Laura Mitchell?«
Hunter nickte, während er den Verkehr beobachtete. Eine Afroamerikanerin in einem weiÃen Peugeot rechts von ihnen warf den Kopf hin und her und gestikulierte wild, während sie ein Lied mitsang. Als sie merkte, dass Hunter sie beobachtete, lächelte sie verlegen. Er erwiderte das Lächeln, bevor er fortfuhr:
»Patrick hat gesagt, dass er Laura niemals etwas antun würde, unter keinen Umständen. Weil er sie zu sehr liebt.«
»Ja, ich weiÃ.«
»Dummerweise war ich an dem Tag zu sehr auf sein Verhalten fixiert, deshalb habe ich gar nicht richtig registriert, was er gesagt hat. Aber so was passiert öfter, als man denkt. Es ist mehr oder weniger eine Kombination der zwei psychologischen Mechanismen Ãbertragung und Projektion.«
Garcia runzelte fragend die Stirn.
»Manche Männer gehen zu Prostituierten, die sie an ihre Ehefrau erinnern«, erklärte Hunter. »Manche Menschen suchen sich bewusst Freundinnen oder Freunde aus, die ÂÂeiner alten Flamme oder einem Lehrer oder sogar ihren eigenen Eltern ähnlich sehen.«
Garcia musste an einen ehemaligen
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