Der Köder
ihm schlich Magozzi allein an die Bürotür. Aus den Ritzen
stahl sich das Licht hervor.
Jeff Montgomerys Fußtritt war wuchtig genug gewesen, um Marty
ein paar Schritte nach hinten zu katapultieren und ihm die Hand zu brechen. Sie hing nutzlos nach unten, angeschwollen, pochend und
leer.
«Es tut mir leid, dass ich das tun musste, Mr. Pullman. Es war die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, um Ihr Leben zu verschonen.»
Großer Gott, dachte Marty, schüttelte den Kopf und lächelte
hilflos. Jeff verwandte genauso viel Aufmerksamkeit darauf, Martys Leben zu verschonen, wie darauf, Jack das Leben zu nehmen. Es
handelte sich um einen so absurden und verdrehten Begriff von Ehre und von falsch und richtig, dass er es nicht in den Kopf bekommen konnte.
Aber dann verstand er es plötzlich, und ihm wurde klar, dass er
im Moment nicht nur Jeff Montgomery vor sich sah – er sah auch
Morey Gilbert, Rose Kleber, Ben Schuler und letztlich, aber nicht am unwichtigsten, auch Marty Pullman. Zum ersten Mal seit langer
Zeit war er nachsichtig mit sich selbst. Er betrachtete die Dinge direkt, sah sie ganz klar. «Hör mir zu, Jeff. Ich bin auch schon
gewesen, wo du jetzt stehst. Ich habe getan, was du tust, und ich sage dir, es ist kein Akt der Gerechtigkeit.»
Zynismus lag in Jeffs Blick. «Sie verstehen nicht. Das Töten in
Ausübung der Dienstpflicht ist nicht dasselbe.»
«Ich habe im Dienst niemanden getötet.»
Jetzt hatte er Jeffs Neugier geweckt, und Jacks ebenfalls. «Was
genau haben Sie denn getan, Mr. Pullman?»
Marty holte tief Luft und blies sie aus, damit die Worte von ihr
getragen wurden. «Ich habe den Mann getötet, der meine Frau
ermordet hat.»
Jack ließ die Kinnlade fallen und griff nach hinten. Er bekam die Sofalehne zu fassen und setzte sich ganz langsam. «Du hast Eddie
Starr erschossen?», flüsterte er, und Marty nickte, ohne sich zu ihm umzudrehen.
Jeff lächelte ihm wohlwollend zu. «Dann war es eine edle Tat,
Mr. Pullman. Sie mussten es tun.»
«Ich habe einen unbewaffneten Mann erschossen, der sich gerade
eine Nadel in den Arm stach, Jeff, und daran war absolut nichts
Edles. Es war keine Gerechtigkeit, es hat mich nicht über andere
erhoben, sondern zu einem Mörder gemacht, und es gibt verdammt
nichts, was ich tun kann, um es ungeschehen zu machen. Aber du
hast eine Chance, die ich nicht hatte. Verzichte auf die letzte Tat.
Entscheide dich, nicht zu töten. Dreh dich um und geh zur Tür
hinaus, dann kannst du dich für den Rest deines Lebens daran
festhalten.»
Der Wind draußen wurde stärker, rüttelte an der Seitenwand des
Gebäudes und schüttelte die Tür in ihrem Rahmen.
Jeff betrachtete ihn mitleidig. «Es ist wirklich sehr schade, Mr.
Pullman. Sie haben das Richtige getan, das Ehrenhafte, aber Sie
verstehen es nicht.» Er machte einen schnellen Schritt nach links, um freie Schussbahn auf Jack zu haben, und drückte beinahe ab, bevor Marty begriff, dass der Augenblick gekommen war. Beinahe, aber
nicht ganz.
In dem Sekundenbruchteil, bevor sich Jeffs Finger um den Abzug
krümmte, war Marty seitwärts in die Luft gehechtet. Er spürte, dass es richtig war und gut, und fühlte sich plötzlich rein, als er sich zwischen die Kugel und den einzigen unschuldigen Mann im Raum
warf. Der Unglaubliche Fliegende Gorilla, dachte er und lächelte, als die Kugel sich unterhalb der Rippen in seinen Körper bohrte.
«Verdammt!», brüllte Jeff und zielte wieder auf Jack, aber da
flog die Tür auf, krachte innen gegen die Wand, löste sich aus den Angeln. Magozzi kauerte im strömenden Regen und im Sturm und
rief: «Waffe fallen lassen! Fallen lassen!»
Jeff wirbelte herum und schoss wild um sich, weil er die
Kontrolle verloren hatte und weil alles schief ging. Als neben seinem Kopf Holz splitterte, drückte Magozzi ebenfalls ab, noch mal und
noch mal, und feuerte wiederholt in Jeff Montgomerys Brust. Heißes Adrenalin fand den Weg in seine Muskeln, aber verschonte sein
Gehirn, damit er nicht auf das Babygesicht und die ungläubigen
blauen Augen des blutjungen Mannes achtete, den er umbrachte.
KAPITEL 41
Magozzi richtete sich in der Türöffnung langsam aus der Hocke auf, die Waffe noch fest in beiden Händen und auf den regungslosen
Körper von Jeff Montgomery gerichtet. Seine Blicke huschten durch den Raum, fingen Schnappschüsse ein: Montgomery zu seiner
Linken, die Brust zerschossen; Marty Pullman direkt vor ihm, flach auf dem Rücken, aber die Augen
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