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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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einem Strick zu ziehen. Es war keiner vorhanden.
    »Wir könnten ihn am Horn ziehen«, sagte Gareth. »Jedenfalls
könnten wir ziehen und schieben, solange es bergab geht.«
    Nur einer von ihnen konnte jeweils das Horn fest packen.
Sie wechselten also ab, und während der eine zog, schoben hinten die anderen,
wenn der Kopf sich in einer Wurzel oder einem Graben verfing. Sogar auf diese
Art und Weise fiel es ihnen noch sehr schwer, so daß sie ungefähr alle zwanzig
Schritt anhalten mußten, um sich abzulösen.
    »Wenn wir daheim sind«, sagte Gawaine keuchend, »werden wir
ihn im Garten auf die Bank heben. Unsere Mutter muß daran vorübergehen, wenn
sie vor dem Abendessen ihren Spaziergang macht. Wir stellen uns davor, bis sie
genau da ist, und plötzlich treten wir alle zurück, und da liegt er dann.«
    »Sie wird überrascht sein«, sagte Gaheris.
    Als sie ihn schließlich talwärts geschleift hatten, ergab
sich eine neue Schwierigkeit. Auf ebener Erde
ließ sich der Kopf nicht weiter vorwärtsbewegen, da das Horn zu glitschig war.
    In dieser Zwangslage – es ging aufs Abendessen zu –
erklärte sich Gareth bereit, vorauszulaufen, um einen Strick zu holen. Der
Strick wurde um die Reste des Kopfes gebunden, und so beförderte man das
Ausstellungsstück die letzte Strecke Wegs zum Kräutergarten: die Augen waren
zerstört, die Knochen traten hervor, und der ganze Kopf war schlammig, blutig
und vom Heidekraut zerfetzt. Sie hievten ihn auf die Bank und brachten die
Mähne in Ordnung, so gut es eben ging. Insbesondere Gareth gab sich jede erdenkliche
Mühe, es so gefällig wie möglich herzurichten, um einen Hauch seiner vergangenen
Schönheit ahnen zu lassen.
     
    Pünktlich
machte die Zauber-Königin ihren Spaziergang: sie war mit Sir Grummore ins
Gespräch vertieft und wurde von ihren Schoßhunden Tray, Blanche und Sweetheart
begleitet. Sie bemerkte ihre vier Söhne nicht, die sich vor der Bank aufgebaut
hatten. Respektvoll standen sie in einer Reihe, schmutzig und aufgeregt und mit
hoffnungsvoll klopfendem Herzen.
    »Jetzt!« rief Gawaine, und sie traten beiseite.
    Queen Morgause sah das Einhorn nicht. Ihre Gedanken waren
mit anderen Dingen beschäftigt. Sie ging mit Sir Grummore vorüber.
    »Mutter!« rief Gareth irritiert und lief ihnter ihr her,
zupfte sie am Rock.
    »Ja, mein Weißer? Was möchtest du denn?«
    »Ach, Mutter. Wir haben Euch ein Einhorn besorgt.«
    »Sind sie nicht süß, Sir Grummore«, sagte sie. »Nun lauft
aber los, meine Täubchen, und laßt euch eure Milch geben.«
    »Aber, Mami…«
    »Ja, ja«, sagte sie abweisend. »Ein andermal.«
    Und die Königin ging weiter, voll elektrisch knisternder
Ruhe, geleitet von dem verwirrten Ritter aus dem Wildwald. Sie hatte nicht
bemerkt, wie verdreckt und zerrissen die Kleider ihrer Kinder waren – hatte sie
nicht einmal gescholten. Als sie im Verlauf des Abends von dem Einhorn erfuhr,
ließ sie die Buben deswegen züchtigen, denn sie hatte einen erfolglosen Tag mit
den englischen Rittern hinter sich.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 8
     
     
    Die Ebene
von Bedegraine war ein Wald von Zelten. Sie sahen aus wie altmodische
Badekabinen und prangten in allen Farben des Regenbogens. Einige waren sogar
gestreift wie Badekabinen, doch zum überwiegenden Teil waren sie einfarbig:
gelb, grün und so weiter. An den Seiten trugen sie heraldische Zeichen,
aufgemalt oder eingewirkt: gewaltige schwarze Adler mit zwei Köpfen gar, oder wyverns – geflügelte Drachen – , oder Lanzen, oder Eichbäume, oder
Wortspiel-Zeichen, die auf den Namen des jeweiligen Besitzers hinwiesen. Sir
Kay, zum Beispiel, hatte einen schwarzen Schlüssel – key – an seinem
Zelt, und Sir Ulbawes im gegnerischen Lager zeigte zwei Ellbogen in wallenden
Ärmeln (korrekterweise manchets geheißen). Wimpel flatterten über den
Zelten, und Bündel von Speeren lehnten an den Segeltuchwänden. Die sportlichen
Barone hatten Schilde oder große Kupfergefäße an den Vordertüren angebracht,
und man brauchte nur mit dem Speerschaft dagegenzuklopfen: sofort kam der Baron
wie eine böse Biene herausgebrummt und kämpfte mit einem, fast ehe noch das
Gedröhn verhallt war. Sir Dinadan, ein lustiger Gesell, hatte einen Nachttopf
vor seinem Zelt aufgehängt. Und Leute gab es da, Leute. Überall zwischen den
Zelten zankte das Küchenpersonal sich mit Hunden herum, die das Hammelfleisch
gefressen hatten; kleine Pagen kritzelten sich gegenseitig Schimpfwörter auf
den Rücken, wenn der andere grad

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