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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Ehejahren war Elizabeth viermal schwanger gewesen und hatte jedes der Kinder verloren.
    Sie kamen zur großen Kathedrale von St. Paul. Auf dem Vorplatz des daneben gelegenen Friedhofs hielten im Sommer und Herbst die Gärtner der Stadt ihren Markt ab, boten alles feil, was sie in den großen Gärten der Stadthäuser von Adligen, Kirchenfürsten und reichen Kaufleuten züchteten. Der Bischofvon London, der Hausherr von St. Paul, wetterte seit Jahren gegen diese frevlerische Ruhestörung am Eingang des Friedhofs, aber die Gärtner ließen sich nicht vertreiben. Jetzt waren ihre Stellplätze freilich verlassen. Der kleine Hof war von einer dünnen Schneedecke bestäubt, und mehr als ein Dutzend Bettler hockten im Schatten der Kirche, obgleich der Wind gerade hier besonders eisig zu fegen schien. Jonah und Crispin gaben den erbarmungswürdigen Greisen und Krüppeln ein paar Pennys. Sie konnten das Geld nicht gut entbehren, aber jeder Freie in London lernte von Kind auf, dass es seine Christenpflicht war, für die Bettler seiner Stadt zu sorgen.
    Hinter der Kathedrale lag das Schlachterviertel. Sie bogen wieder nach links ab und beschleunigten ihre Schritte, um dem Gestank zu entgehen. Bald kamen sie zum Newgate, dem nordwestlichen Stadttor, welches ein berüchtigtes Gefängnis beherbergte. Und kaum hatten sie die Stadtmauer hinter sich gelassen, wurde es ländlich. Keine halbe Meile hinter dem Newgate lag West Smithfield, ein blühender, wohlhabender Marktflecken. Mit jedem Jahr schien er ein Stückchen näher an die Stadt heranzurücken. Manch Londoner Kaufmann hatte hier ein Stück Land erworben und ein Haus gebaut, um der Enge und den horrenden Grundstückspreisen innerhalb der Stadtmauer zu entgehen.
    Ein Grund für den Wohlstand von Smithfield waren auch seine zwei Walkmühlen, die von dem kleinen, aber eiligen Fluss Fleet angetrieben wurden. Schon von weitem hörten Jonah und Crispin das rhythmische, dumpfe Klopfen der Hämmer auf nassem Tuch.
    Sie ließen den Marktplatz und die kleine St.-Nicholas-Kirche rechter Hand liegen und liefen die abschüssige Straße zum Fluss hinab. Als sie sich der ersten der Mühlen näherten, wurde das Dröhnen der Hämmer so laut, dass man die Stimme erheben musste, um sich verständlich zu machen.
    »Meine Güte, was für ein Radau«, rief Crispin aus, der zum ersten Mal mit hergekommen war. »Wie kann man dabei den ganzen Tag arbeiten? Ich würde den Verstand verlieren.«
    »Das würde niemandem weiter auffallen«, versicherte Jonah und fügte hinzu: »Halt den Mund, hör zu und lerne etwas.«
    »Sehr wohl, Sir«, gab Crispin bissig zurück, der, wie er fand, als jüngster Lehrling im Hause Hillock keinen leichten Stand hatte. Als Annot im Sommer gekommen war, hatte er gehofft, seine Stellung werde sich bessern, doch er hatte sich getäuscht. Weil sie mit Ruperts Tuchgeschäft nichts zu tun hatte, änderte ihre Ankunft nichts an dessen Hierarchie. Obendrein war Annot heiratsfähig und wurde fast wie eine Erwachsene behandelt. Er musste allerdings auch zugeben, dass sie viel reifer wirkte als er, der doch ein Jahr älter war. Und vermutlich war das der Grund, warum sie ihn einfach nicht ernst nahm, gar nicht zu merken schien, wie glühend er sie verehrte.
    Der Junge unterdrückte ein Seufzen und folgte Jonah durch eine breite Tür ins Innere der Mühle. Das Gebäude bestand nur aus einem fensterlosen Raum. Oder zumindest konnte Crispin keine Fenster entdecken, denn an allen Wänden lagen bis zur Decke Tuchballen aufgestapelt. Lediglich die Tür, durch die sie gekommen waren, und eine gegenüberliegende, die zum Fluss hinausführte, waren ausgespart. Die Hintertür stand offen, ließ ein wenig trübes Winterlicht und sehr viel kalte Zugluft herein und bot einen Blick auf den eiligen Fleet. Eine wenig Vertrauen erweckende Holzbrücke führte hinüber auf eine Wiese, wo große Tuchstücke zum Trocknen ausgebreitet lagen oder in Holzgestelle gespannt waren. Das Mühlrad, das man von hier aus zwar nicht sehen, aber dessen Knarren und Rumpeln man umso deutlicher hören konnte, trieb keinen Stein an, sondern eine Reihe von gewaltigen hölzernen Hämmern. Ohne Unterlass droschen diese auf die Wolle ein, die in langen Trögen in einem Gemisch aus Wasser und Fullererde lag. Drei Männer standen über die Tröge gebeugt, die Hände im eisigen Wasser, und bewegten die langen Tuchbahnen, drehten sie und zogen sie weiter, damit sie gleichmäßig gewalkt wurden. Das Walken war ein wichtiger

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