Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
erleichtern, sondern führte ihn auf Wunsch zum Abtritt. Tatsächlich wurde er kaum weniger zuvorkommend behandelt als der Schwager des Königs, König David von Schottland, der ein, zwei Türme weiter in einem ähnlich geräumigen, bequemen Quartier mit dem Riegel auf der falschen Seite untergebracht war.
    Meurig kam jeden Tag und brachte, was Jasper gekocht hatte, sogar die berühmten Blaubeerpasteten, denn es war gerade die Jahreszeit. Auch Martin Greene und Pater Samuel waren hier gewesen. Jonah hatte keinen von ihnen empfangen, denn er wollte niemanden sehen, hatte lediglich Samuel durch eine der Wachen die Bitte ausrichten lassen, ihm eine Bibel zu schicken.
    Die Bibel war eine Stunde später gekommen. Und Jonah las beinah Tag und Nacht darin. Der gleichmäßige Fluss der lateinischen Sprache beruhigte das rastlose, gehetzte Kreisen seiner Gedanken. Er versuchte, sich an alles zu erinnern, was er auf der Klosterschule über Bibeldeutung gelernt hatte, und ihren tieferen Sinn zu erfassen. Vor allem der eigentümlichen Geschichte vom Propheten im Bauch des Fisches spürte er nach. Er fand wenig Trost in seiner Lektüre, denn zu viele Fragen blieben offen, aber er fand wieder zu Gott.
    Erst wenn seine Augen vom zu langen Lesen bei schlechtem Licht zu brennen und zu tränen begannen – ein Leiden, das ihn schon seit Jahren plagte –, klappte er die Bibel zu und grübelte. Das waren seine finstersten Stunden, denn das Grübeln führte unweigerlich zu Zorn, Furcht und Verzweiflung. Nur solange er las, gelang es ihm, sich in einen Zustand der Resignation zu versetzen. Er wusste, der Zustand war trügerisch, denn er entsprach nicht seiner Natur, aber es schien der einzige Weg, um halbwegs bei Verstand zu bleiben.
    Gegen Nachmittag des fünften Tages hockte er wieder über der aufgeschlagenen Bibel, die Kerze dicht herangezogen, den Kopf über das Buch gebeugt wie ein emsiger Schuljunge, als der Riegel rasselte. Stirnrunzelnd wandte Jonah den Kopf. Es war noch zu früh fürs Essen.
    Kein Wachsoldat, sondern William de la Pole trat über die Schwelle. Er blieb gleich wieder stehen, und sie starrten sich reglos an, wie zwei streunende Katzen, die sich unerwartet begegnen.
    Als die Tür sich geschlossen hatte, brach de la Pole den seltsamen Bann. Er sah sich gründlich um und bemerkte: »Ein wenig geräumiger als mein Quartier in Devizes, aber nicht so anders. Ist es nicht verblüffend, wie die Dinge im Leben sich wiederholen?« Und da er keine Antwort bekam, setzte er hinzu: »Nun, wie auch immer, Durham, ich wollte nicht versäumen, mich zu verabschieden, ehe ich für eine Weile heim nach Yorkshire gehe.«
    Jonah erhob sich ohne Eile. »Ihr wollt nicht hier bleiben, um die Früchte all Eurer Mühen zu genießen?«
    »Doch, doch. Zu Eurer Hinrichtung komme ich zurück. Ich habe mir so oft gewünscht, Euch das Herz aus dem Leibe zu reißen. Nun werden es die Eingeweide sein, die man Euch herausreißt, aber das ist ja fast genauso gut. Um keinen Preis der Welt würde ich mir das entgehen lassen. Das letzte große Schauspiel, das Ihr in London gebt, könnte man sagen, nicht wahr?«
    Die Aussicht auf diesen Tag verfolgte Jonah jede wache Stunde und bescherte ihm nachts Albträume, aus denen er in Schweiß gebadet und manchmal schreiend auffuhr. Aber seine Miene blieb vollkommen ungerührt. »Und verratet Ihr mir, warum der Gedanke Euch so freudig und untypisch verschwendungssüchtig stimmt?«, fragte er.
    De la Poles Lächeln verschwand wie weggewischt. »Warum? Fragt Ihr mich das im Ernst? Nachdem Ihr mir zwei Jahre Haft und den Verlust meines Titels eingebracht habt?«
    »Falsch«, entgegnete Jonah. »Ihr selbst habt Euch das eingebracht, niemand sonst. Ich hoffnungsloser Schwachkopf habe lediglich versucht, Euren Hals zu retten.«
    »Oh.« De la Pole schnalzte mitfühlend. »Wie bitter, dass Euer Edelmut so entlohnt wird. Es ist doch wahrlich eine schlechte Welt. Da habt Ihr mir so große Güte erwiesen, und ich liefere Euch zum Dank dem Scharfrichter aus.«
    »Erspart mir Eure geistlose Ironie und seid so gut, meine Frage zu beantworten. Warum?«
    »Na schön. Wenn der Grund Euch nicht befriedigt, nenne ich Euch noch einen. Die Compagnie ist am Ende, und der König will einen Sündenbock. Ihr habt Euch förmlich angeboten. Denn es ist genau das eingetreten, was ich schon vor Jahren prophezeit habe, Durham: Ihr seid ein lästiger Konkurrent geworden. Ich hätte Euch gleich damals zerquetschen sollen, aber aus Rücksicht

Weitere Kostenlose Bücher