Der Koenig geht tot
sprechen gerade über die von Männern bevorzugte Kochweise«, erklärte ich nach drei Schrecksekunden.
»Ein interessantes Feld übrigens«, ergänzte Radebach, mit dem ich plötzlich ein Herz und eine Seele war.
»Es gibt da ganz außerordentliche Unterschiede, wenn Männer und Frauen kochen«, erklärte ich mit ernster Miene. »Sowohl was die Gerichtauswahl angeht als auch was die Vorgehensweise betrifft.« Ich mußte an Alexa denken, die den Hauptunterschied wahrscheinlich darin sehen würde, daß Männer beim Kochen die zehnfache Menge an Töpfen verschmutzen.
»Ich mache gerade Herrn Jakobs darauf aufmerksam, welch unverhoffte Wirkung ein gutes, selbst zubereitetes Essen haben kann«, plapperte der Buchhändler, der nun wieder auf sein Lieblingsthema zurückkommen wollte.
»Tatsächlich ein unerschöpfliches Thema«, unterbrach ich ihn. Wenn ich auf etwas keine Lust hatte, dann war es, nun unter sechs Augen Anspielungen über mein Liebesleben auszutauschen. »Genauso unerschöpflich wie Mutmaßungen über die beiden schrecklichen Morde, die jüngst in Stichlingsen geschehen sind.«
»Darauf wollte ich Sie in der Tat noch ansprechen«, nahm Radebach den Themenwechsel auf. »Ich hörte sogar, daß Sie selbst es waren, der den armen Wilfried König gefunden hat.«
»Und nicht nur das: Ich war sogar in der Nähe, als die zweite Leiche entdeckt wurde, beim Brechlingser Vogelschießen.«
»Vinci, das gibt’s doch nicht«, Friederike Glöckner faßte besorgt meinen Arm. »Wie schrecklich für dich!« Ich legte einen Gesichtsausdruck auf, der unterstrich, wie sehr ich des Mitgefühls bedurfte.
»Das muß ja furchtbar für dich gewesen sein!« Friederikes Augen krochen in mich hinein. »Kannst du überhaupt noch ruhig schlafen?«
»Es geht!« flüsterte ich und schlug die Augen nieder. »Die Bilder gehen einem natürlich schon mächtig im Kopf herum.«
»Mensch, warum hast du denn nicht angerufen? Ich wär dann mal vorbeigekommen, und du hättest dich richtig ausquatschen können.« Das hätte mir noch gefehlt. Unerträgliche Stunden mit Friederike Glöckner und nachher auch noch unerträgliche Stunden mit einer eifersüchtigen Alexa.
»Nun, mit bestimmten Dingen muß man eben ganz alleine fertig werden«, seufzte ich schwermütig. Radebach lächelte so verständnisvoll wie eine Grundschullehrerin, die gerade von der vierundzwanzigsten Mutter in der Klasse erfahren hat, daß auch ihr Kind hochbegabt sei.
»Natürlich mache ich mir jetzt viele Gedanken über die Verbrechen. Aber leider fehlt mir wohl das nötige Insiderwissen, um etwas klarer zu sehen. Schließlich bin ich ein Zugezogener und kenne die Strukturen noch nicht so lange.« Meine Taktik ging auf. Die beiden, die nun in der Tat Insider waren, stiegen ein.
»Nun, um die Strukturen des Stichlingser Schützenvereins genauer verstehen zu können, muß man wahrscheinlich Mitglied sein«, erläuterte Radebach. »Ich selbst kenne lediglich Jupp Baumüller, den Ersten Vorsitzenden der Mannschaft. Ein netter Kerl, der gelegentlich Buchgeschenke für verdiente Mitglieder bei mir bestellt.«
»Was mich betrifft, so gehören Schützenbruderschaften auch nicht gerade zu meiner bevorzugten Vereinsform«, meinte Friederike arrogant. »Aber ich kenne jemanden, der einen guten Draht zum Stichlingser Verein hat. Wenn es dich wirklich interessiert, kann ich ihn mal drauf ansprechen.«
Ich nickte zustimmend. Warum nicht? Max würde dankbar sein.
»Ich ruf dann mal an, wenn ich etwas Interessantes gehört habe«, fuhr Friederike fort, während sie auf das Kochbuch in meiner Hand deutete. »Dann kannst du mich mal zu einer leckeren Spargelsuppe einladen, und ich werde dir alles berichten.«
»Welch gelungene Idee!« Radebach bekam beinahe glühende Augen. »Wo wir doch eben noch darüber sprachen, welch außerordentliche Wirkungen selbst gekochtes Essen auf Frauen haben kann.«
27
Die Katze war aus dem Sack. Erledigt. Der Fall geklärt, oder besser: gleich beide Fälle geklärt - auf einen Schlag. Jetzt konnte endlich Ruhe einkehren. Dieser Dienstagnachmittag hatte allem Anschein nach die Aufklärung zweier Fälle und gleichzeitig den Frieden gebracht! Das Auto schleuderte in der Kurve fast von der Fahrbahn herunter. Max konnte seine Anspannung selbst kaum verstehen. Aber sie war da. Sie war unvermindert da, obwohl doch endlich alles vorbei war.
Es stand kein Auto im Hof. Gerda war daher wahrscheinlich unterwegs. Hoffentlich war Jupp heute so weit fit, daß
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