Der König und die Totenleserin3
kämpfen. Sein Fuß war nun zu schlimm geschädigt.
Adelia erzählte es auch nicht dem Kämpen, aber seine Teilnahmslosigkeit am selben Abend, als sie versuchte, ihn zum Essen zu bewegen, ließ vermuten, dass er es bereits ahnte.
Als Millie sie ablöste, ging Adelia in ihr Zimmer und holte das alte Schwert vom Hügel aus der Truhe, in der sie es, in ein Tuch eingeschlagen, aufbewahrte. Sie setzte sich aufs Bett und betrachtete es.
Mansurs Widerwille dagegen, dass sie es mitgenommen hatte, war in dem Augenblick verpufft, als er erfuhr, dass das Schwert ihr das Leben gerettet hatte. »Also hat Allah aus dem Paradies herabgeblickt und gesehen, dass du eine Waffe benötigst. Er gab dir die des Kriegers.«
Eine schöne Erklärung für Grabräuberei, dachte sie.
Was sie sich kaum selbst eingestehen konnte und ganz sicher niemand anderem, war, dass das Schwert in einem verzweifelten Moment im Wald lebendig geworden war. Es hatte getötet, um sie zu schützen, als wäre es von der Aufgabe, für die es geschmiedet worden war, zum Leben erweckt worden.
Das Problem war, dass es das genossen hatte.
Oder war ich es? Hab ich es genossen?
Sie wusste, dass dem nicht so war. Wolf war eine Ausgeburt gewesen, hatte getötet, hätte Alf getötet, sie getötet, hätte weiter getötet. Der Zufall hatte ihr die Gelegenheit und das Mittel, um ihm Einhalt zu gebieten, zugespielt. Sie, deren Beruf es war, Leben zu bewahren, bedauerte es und würde es immer bedauern. Doch wie Rowley gesagt hatte, sie hätte nichts anderes machen können.
Die Frage war, ob das Schwert nun ihr gehörte. Das Gefühl hatte sie jedenfalls. Durch sein Erwachen, um sie zu verteidigen, war das Besitzrecht an der Waffe von dem Toten in der Höhle in ihre lebendigen Hände übergegangen. So verhasst ihr zerstörerische Waffen waren, dieses Ding jedoch mit seinem verkrusteten Knauf, der so warzig war wie Allies Kröte, bildete eine Ausnahme. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicherer – nein, nicht bloß sicherer, kühner –, sie konnte der Welt damit trotzen, ihren Feinden die Stirn bieten. Jetzt wagt ihr es nicht mehr, mich anzurühren.
Sie dachte: Und genauso nehmen Kriege ihren Anfang.
Behalte mich,
sagte das Schwert.
Du bist zwar eine Frau, aber du wirst eine Kriegerin werden, die alle schwachen Frauen verteidigt.
Seine Stimme war hell und lieblich wie Rhys’ Harfe.
Und dann begriff sie, dass auch dies dem Zauber von Glastonbury zuzuschreiben war. Sie war umringt von Legenden, heiligen Quellen, Träumen, Geistern, Schwertern, die zum Leben erwachten … alles reine Illusion. Die Meister in Salerno, die Adelia in fundierter Wahrheit unterwiesen hatten, blickten kopfschüttelnd und beschämt auf sie herab.
Sie traf eine Entscheidung.
Du bist ein Werkzeug,
erklärte sie dem Schwert.
Du hast einem Krieger gehört, der keine weitere Verwendung für dich hat – aber ich bin Ärztin, und ich habe einen Patienten, der etwas mit dir anfangen kann.
Am nächsten Morgen erzählte sie Roetger die Geschichte des Schwertes und übergab es ihm.
»Ein hässliches altes Ding«, sagte sie und merkte, wie schwer ihr die Worte fielen, »aber bis Ihr ein besseres findet …«
Er war fasziniert von der Waffe und wirkte froher, als sie ihn seit der Rettung von Lazarus Island je gesehen hatte, als hätte sie ihm seine Männlichkeit zurückgegeben. »Hm«, sagte er und streichelte die Klinge. »Altmodisch, ja, aber hässlich, nein. Das werdet Ihr sehen, wenn ich es wieder auf Hochglanz gebracht habe. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet.«
Millie wurde in die Küche geschickt, um Reinigungszeug zu holen, und Adelia ließ ihren Patienten mit seiner neuen Arznei allein, um hinunter in den Gästesaal zu gehen und den Bericht zu schreiben, den der König verlangt hatte. Sie konnte es nicht länger aufschieben – Hauptmann Bolt würde ihn am nächsten Tag abholen.
Es war eine Auflistung von Katastrophen, die das königliche Auge wohl kaum erfreuen würde: Arthur und Guinevere
nicht
Arthur und Guinevere, sondern zwei Männer, die sich geliebt hatten. Ein angesehener Abt sowohl Mörder als auch Selbstmörder, der eine Wahnsinnige mit in einen schrecklichen Tod genommen hatte. Der Brand von Glastonbury verursacht durch die Unachtsamkeit eines seiner eigenen Mönche. Ein Wald, in dem Reisende auf des Königs Straßen abgeschlachtet worden waren. Eine verwitwete Angehörige seines Somerset-Adels als Mordanstifterin. Und vor allem, zumindest würde Henry es so lesen und
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